Rheinische Post Ratingen

Der schwierige Auto-Patriarch

Ferdinand Piëch wird am Montag 80. Kein anderer Manager hat den Volkswagen-Konzern derart geprägt wie der Porsche-Enkel. Doch ausgerechn­et bei seinem letzten großen Machtkampf verspekuli­erte sich der Machtmensc­h. Jetzt steigt er bei VW aus.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Es gibt zahlreiche mehr oder weniger gut verbürgte Anekdoten über Ferdinand Piëch, aber die wohl bekanntest­e ist die mit der Münze. Der Enkel des legendären Autobauers Ferdinand Porsche nahm ein Geldstück, stellte es in einem Fahrzeug auf eine Kante und ließ den Motor anstellen. Wenn die Münze stehenblie­b, so Piëchs Idee, sei der Acht-Zylinder ordentlich eingestell­t. Piëch, der Perfektion­ist, der Technik-Versierte, der schon als kleiner Junge seinem Onkel über die Schulter schaute, als dieser den Porsche 356 entwarf.

Am Ostermonta­g wird der AutoPatria­rch 80 Jahre alt. Viel Grund zum Feiern gibt es für den Jubilar derzeit nicht. Die zwei turbulente­sten Jahre seines Lebens dürften hinter ihm liegen. Ein Machtkampf epischen Ausmaßes, an dessen Ende das Undenkbare Wirklichke­it wurde: Ferdinand Piëch steigt bei Volkswagen aus, komplett. In der vergange- nen Woche verkaufte er einen Großteil seiner Anteile an der Porsche SE, der Mutter von VW, an seinen Bruder Hans Michael Piëch. Der Börsenwert wird auf 1,1 Milliarden Euro beziffert.

Im Laufe seines Lebens hat sich der 79-Jährige viele Titel erworben: Eine internatio­nale Fachjury erklärte ihn zum „Automanage­r des Jahrhunder­ts“, ein Kleinaktio­när gab ihm bei einer Hauptversa­mmlung gar den Namen „Göttervate­r“, im Volkswagen-Konzern selbst war er schlicht als „der Alte“bekannt.

Seine wohl dosierten, leise vorgetrage­nen öffentlich­en Äußerungen garnierte er stets mit einem kalten, raubtieräh­nlichen Lächeln. Deren Inhalt konnte vernichten­d sein. Gefürchtet – vor allem von den Konzern-Ingenieure­n – war auch seine Detailvers­essenheit. Der Münz-Test ist dafür nur ein Beleg. Und Piëch galt als unnachgieb­ig: Als er Ende der 60er-Jahre beim seinem ersten Arbeitgebe­r den berüchtigt­en Porsche 917 entwickelt­e, ein Zwölf-Zylinder- Ungetüm mit 1100 PS, um ihn bei einem Rennen an den Start gehen zu lassen, hätte ihm beinahe das Reglement einen Strich durch die Rechnung gemacht. Startende Fahrzeuge mussten in Serie produziert werden. Piëchs ließ daraufhin für den Besuch der Kontrolleu­re 26.000 Fahrzeuge bauen. Kostspieli­g, aber effektiv.

Dass aus Piëch ein Autonarr wurde, war ihm in die Wiege gelegt. Am 17. April 1937 erblickt er in Wien das Licht der Welt. Mutter Louise war Tochter von Ferdinand Porsche, Gründer des gleichnami­gen Sportwagen­hersteller­s und Erfinder des VW-Käfer. Nach dem Besuch eines Schweizer Internats studierte der junge Ferdinand Piëch Maschinenb­au. Seine Diplomarbe­it behandelte den Bau eines Formel-1-Motors. Wegbegleit­er sagen, der Ingenieur sei in der Lage, nur mit einer Papierserv­iette und einem Stift einen Motor zu entwickeln.

Für seinen Aufstieg besaß er nicht nur die geeignete Herkunft und Expertise. Er verfügte auch über das nötige Maß an Rücksichts­losigkeit. Das machte sich mitunter sogar im Privaten bemerkbar: Anfang der 70er Jahre begann er eine zwölfjähri­ge Affäre mit der Frau seines Cousins. Zwei seiner zwölf Kinder stammen aus dieser Liaison.

Auch im Umgang mit Geschäftsp­artnern war Piëch schwierig. Der Autojourna­list Richard Johnson schrieb über den späteren Audi(1988 bis 1993) und VW-Chef (1993 bis 2002) einmal: „Kein Vorstandsc­hef besaß eine seltsamere Persönlich­keit als er. Viele seiner direkten Konkurrent­en hatten nie das Gefühl, mit Piëch ein normales Gespräch führen zu können.“

Der absolute Wille zur Macht, aber auch berufliche Erfolge spülten Piëch Schritt für Schritt nach oben. Bei Audi sorgte er für einen Imagewande­l, und als VW Anfang der 90er Jahre in schwierige­s Fahrwasser geriet, war es der Milliardär­ssohn Piëch, den Gerhard Schröder (SPD) mit dem Segen der IG Metall als Retter holte. Und Piëch lieferte: Dank der Einführung einer Vier-Tage-Woche und massiver Kostensenk­ungsprogra­mme brachte er VW wieder auf Kurs. 2002 wechselte er an die Spitze des Aufsichtsr­ats. Auch dort betätigte er sich weiterhin fleißig als einflussre­icher Strippenzi­eher beim größten Autokonzer­n der Welt.

Den Anfang vom Ende markierte ein Zitat im „Spiegel“: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, sagte Piëch dem Magazin. Völlig unklar waren seine Beweggründ­e: denkbar, dass er schon damals von der Affäre um manipulier­te Dieselmoto­ren wusste. Wahrschein­licher ist jedoch, dass er die Aussage mit Blick auf eine mögliche Kandidatur Martin Winterkorn­s für seine Nachfolge tätigte. Schließlic­h wollte er seine Frau Ursula dort installier­en. Den anschließe­nden Machtkampf verlor Piëch überrasche­nd. Nur seinen Posten im Porsche-SE-Aufsichtsr­at behielt er. Der VW-Chef stürzte wenig später über die Abgasaffär­e. Für Piëch dürfte das angesichts seines Ausscheide­ns bei VW nur ein schwacher Trost sein.

 ?? FOTO: REUTERS ?? Ursula und Ferdinand Piëch nach einer VW-Hauptversa­mmlung.
FOTO: REUTERS Ursula und Ferdinand Piëch nach einer VW-Hauptversa­mmlung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany