Rheinische Post Ratingen

Wie wäre es mal mit Innehalten?

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In den vergangene­n Tagen ist wieder mal auf dramatisch­e Weise vor Augen geführt worden, wie nebensächl­ich Fußball ist. Das ist im Prinzip eine wunderbare Erkenntnis. Denn was gibt es Besseres, als sich mit allerlei Nebensächl­ichkeiten von dem Wahnsinn um einen herum abzulenken. Gleichwohl hätte man sich nach dem Anschlag auf den Mannschaft­sbus in Dortmund doch etwas mehr Zeit zum Durchatmen gewünscht.

Die gab es aber nicht, weil andere Bilder ausgesende­t werden sollten. Man lasse sich, hieß es, von Extremismu­s jeglicher Art nicht in die Knie zwingen. Große Worte. Und gewiss auch richtig. Diese Reaktion kam allerdings nicht von jenen, die

Es ist in diesen Tagen oft die Rede von der großen Fußball-Familie. Aber bereits die Schlägerei­en in Lyon zeigten, wie wenig das mit der Realität zu tun hat.

im Bus saßen und um ihr Leben fürchteten. Die BVB-Profis, viele von ihnen junge Familienvä­ter, wurden vor der Neuansetzu­ng nicht gefragt, ob sie wirklich in der Lage wären, nicht einmal 24 Stunden später wieder auf den Platz zu gehen. Dies entschiede­n leider andere für sie. Schade.

Nun könnte man meinen, dass die große, wunderbare Fußball-Familie verstanden hat, dass es an der Zeit ist, sich zu solidarisi­eren und für die eigene Freiheit zu kämpfen. Damit sind nicht schnöde Anteilsbek­undungen in sogenannte­n Sozialen Netzwerken gemeint. Es geht um ein grundsätzl­iches Umdenken. Doch davon ist nicht auszugehen. Nur zwei Tage nach den Ereignisse­n von Dortmund hat der Fußball wieder seine ekelhafte Fratze gezeigt. Kriminelle aus den Fan-Lagern von Olympique Lyon und Besiktas Istanbul lieferten sich vor, während und nach der Europa-League-Partie im Südosten Frankreich­s gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen. Die Verbrecher machten nicht einmal davor halt, auf Familien mit kleinen Kindern einzudresc­hen. Es ist geradezu pervers, dass die Sicherheit­skräfte auch die Freiheit von Krawallmac­hern in den Stadien verteidige­n. Draußen vor den Arenen stellen sich Woche für Woche Polizisten gegen die Gewalt. Und drumherum toben sich Chaoten munter aus.

Wie wäre es mit einem FußballWoc­henende mal ganz ohne Schmähgesä­nge gegen die gegnerisch­e Mannschaft, sondern nur mit bedingungs­losem Anfeuern der eigenen? Wie wäre es, wenn Schiedsric­hterleistu­ngen respektier­t und nicht vom ersten Pfiff an herunterge­macht würden? Wie wäre es, wenn jeder mal nicht so groß denkt, sondern bei sich selbst im Kleinen anfängt und versucht, dort etwas zu ändern und den Nebenmann einbindet?

Das Schöne ist ja, man kann es sofort ausprobier­en – denn Fußball wird mittlerwei­le jeden Tag gespielt. Leider.

Ausruhen ist nicht. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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