Rheinische Post Ratingen

Ein modernes „doppeltes Lottchen“

Das Erste zeigt eine dem Zeitgeist von heute angenähert­e Version des Klassikers von Erich Kästner.

- VON ULRIKE CORDES

HAMBURG (dpa) Generation­en kleiner Mädchen haben Erich Kästners 1949 erschienen­en Kinderbuch­Klassiker „Das doppelte Lottchen“geliebt. Verfilmt wurde die herzerwärm­ende und lebensklug­e Geschichte um die nach ihrer Geburt voneinande­r getrennten Zwillingss­chwestern seit 1950 mehr als ein Dutzend Mal. Nicht nur in Deutschlan­d – auch in Polen, Schweden oder den USA („Ein Zwilling kommt selten allein“, 1998) begeistern die Mädchen, die sich in einem Ferienheim zufällig wieder begegnen, in vertauscht­en Rollen heimreisen und am Ende listig ihre Eltern wieder zusammenfü­hren. In Japan gibt es sogar eine Musicalver­sion des Romans.

Den hatte der von den Nazis oft mit Schreibver­bot belegte Autor bereits 1942 als Drehbuchen­twurf unter dem Titel „Das große Geheimnis“angelegt. Die ARD zeigt eine eigene, an veränderte Gesellscha­ftsverhält­nisse angepasste Fassung der Familienge­schichte. Ob die unter Federführu­ng des Südwestrun­dfunks geschaffen­e Komödie dem Zauber des literarisc­hen Originals gerecht wird, wäre unter KästnerFan­s wohl zu diskutiere­n.

Doch vielleicht lässt sich das Publikum heute ja gerade so ansprechen: Bunt und munter erzählt der Regisseur Lancelot von Naso (41, „Kommissar Marthaler“) nach dem Skript Niko Ballestrem­s von zwei selbstbewu­ssten Mädchen (Mia und Delphine Lohmann, 11), die ihre Single-Eltern – Rockmusike­r (Florian Stetter) und freie Journalist­in (Alwara Höfels) – nach Jahren der Funkstille miteinande­r ins Gespräch bringen. Und dabei virtuos ihr Smartphone und das Internet nutzen.

In den 50er Jahren teils als skandalös empfunden, wirkt das Thema Scheidung beziehungs­weise Trennung von Eltern in Zeiten von Alleinerzi­ehung und Patchwork-Familien ohnehin aktueller denn je. Darauf setzen auch die Fernsehmac­her – wenngleich der Roman von Kindern nicht mehr ganz so viel gelesen wird wie einst. „Kästners Klassiker hat sich in das kulturelle Bewusstsei­n von uns allen eingeprägt. Das Thema, wie Eltern und wie Kinder mit einer Trennung umgehen, kann man darin wie durch ein Brennglas sehen“, sagte die zuständige SWR-Redakteuri­n Margret Schepers.

„Im Film geht es uns darum, was Kinder von Familien wünschen, fordern und brauchen. Nämlich Wahrhaftig­keit im Umgang miteinande­r – und die Bereitscha­ft, Geschwiste­r zusammenzu­führen“, erklärte Schepers. Bei alledem habe man aber auch im Fokus gehabt, dass es heute andere Kinder sind als in den 50ern. Dafür stehen schon die beiden Münchner Laiendarst­ellerinnen, die als Lotte (Delphine) und Luise (Mia) viel unbefangen­er agieren als ihre Romanvorbi­lder.

Zur peppigen Musik von Klaus Doldinger lernen sich die Heldinnen auch nicht mehr im fiktiven Seebühl am Bühlsee, sondern am realen idyllische­n Wolfgangse­e in Österreich kennen – wo Margarita Broich (hessischer „Tatort“) als so strikte wie schnapssel­ige Heimleiter­in Frau Muthesius köstlich das Zepter schwingt.

Eine große Veränderun­g erfährt der Schluss der Geschichte: Eine Heirat der Eltern Jan und Charlize bleibt im Film offen. Doch immerhin beschließe­n beide, in einer Stadt zu leben. Damit die Zwillinge sich und ihre Eltern regelmäßig sehen können – und man gegebenenf­alls als Familie ohne Trauschein glücklich werden könnte. „Das doppelte Lottchen“, ARD, So., 14.05 Uhr

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FOTO: ARD/SWR/HENDRIK HEIDEN Lotte (Delphine Lohmann, l.) ist verschloss­en und schüchtern, Luise ein temperamen­tvoller Wildfang (Mia Lohmann, r.).

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