Rheinische Post Ratingen

Eichhörnch­enbabys finden neues Heim

Der Einsatz des Dachdecker­s war gut gemeint, stieß aber nicht auf Gegenliebe. Die Feuerwehr half ihrem Ex-Chef.

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN Es gab mehrere Augenblick­e während der Rettungsak­tion, in denen alle Zuschauer am liebsten „Oh wie süß“gerufen hätten. Auch noch, als der Dachdecker das Eichhörnch­en-Nest – den Kobel – hoch droben bei der Dachrinne entdeckt hatte und die darin befindlich­e Familie retten wollte. Doch da sprang ihm die Eichhörnch­en-Mutter mit Schmackes entgegen. Der Dachdecker verzichtet­e auf weitere Hilfsberei­tschaft.

Aber das war ja schon mitten in der Geschichte. Angefangen hatte sie auf der einen Seite damit, dass eine Eichhörnch­enfamilie unbedingt eins ihrer Nester bei Helmut Gansen, dem langjährig­en Feuerwehrc­hef, unter dem Dachjuchhe­e bauen musste. Auf der anderen Seite hatten die Bewohner dort schon bald Sorge, dass mögliche Regenschau­er das junge Leben in ihren Fluten ertränken könnten.

Also wurde zunächst der Dachdecker gerufen, der sich mit den Regenrinne­n auskannte. Ergebnis: siehe oben. Nun waren die Eichkatzer­l, wie man die Hörnchen in Österreich so nett und operetteng­leich nennt, nicht vergebens in Gansens Haus heimisch geworden: Der Mann kennt sich mit der Rettung von Mensch, Tier und Sachwerten aus. Auch dann, wenn’s schwierig wird.

Und es war schwierig, denn ein Wagen mit Hubbühne hätte nicht dahin gefahren werden können, wo er gebraucht wurde. Kletterkün­ste waren gefragt – und wurden von wackeren Wehrmänner­n erbracht. Sie machten sich erst mit einer Leiter, dann mit Mut über einen Balkon und übers Dach ans Werk. Gottlob war die Eichhörnch­en-Mutter ja schon verschwund­en. Und was fand sich in dem Kobel: fünf allerliebs­te Jungtiere. Jetzt war „Oh wie süß“wieder angebracht.

Aber – wer wollte sich nun um die Brut kümmern, deren weiteres Gedeihen in einem Karton keinesfall­s gesichert war? Behutsam transporti­erte man die Kinderscha­r zur Hauptfeuer- und Rettungswa­che. Von dort aus wurde die Eichhörnch­en-Hilfe in Solingen informiert, und schon bald befanden sich die Waisen auf dem Weg in ein neues Heim. Inzwischen erfuhren die Feuerwehr-Retter, dass es sich um drei weibliche und zwei männliche Tiere handelte und dass sie wacker Nahrung zu sich nehmen.

Der clevere Nestbau wird rund ums Jahr betrieben und bietet den Baumhörnch­en immer Schutz. Die Tiere konstruier­en ihre Kobel in hoch gelegenen Astgabeln, sechs bis fünfzehn Meter oberhalb der Erde. Oder auch bei Gansen am Haus. Jedem Eichhörnch­en stehen zwischen zwei und acht solcher Wohnsitze zur Verfügung – wenn nötig, kann das Hörnchen seinen Hauptwohns­itz jederzeit wechseln.

Ein Kobel ist kugelförmi­g und hat einen Durchmesse­r von bis zu fünfzig Zentimeter­n. Er verfügt über zwei oder mehr Ausgänge, die im Gefahrfall eine Flucht erleichter­n. Hilfsweise muss man dem Dachdecker ins Gesicht springen. Das Gebilde besteht aus Reisig und Zweigen, Tannennade­ln und Blättern. Von innen ist das Eichhörnch­enNest mit weichen Materialie­n ausgepolst­ert: Eine Schicht aus Moos, Federn und Gras sorgt für Komfort.

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FOTOS (3): FEUERWEHR RATINGEN Die kleinen Nager kamen zunächst in ein „Notquartie­r“– bestehend aus Pappkarton mit Mooseinlag­e.
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Eine Handvoll Hörnchen. Angst kannten die Kleinen nicht.
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In der Aufzuchtst­ation mussten sie aufgepäppe­lt werden.

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