Rheinische Post Ratingen

Wo Spaniens kulinarisc­hes Herz schlägt

Auf einer Schlemmert­our durch Katalonien, Europas Gastronomi­e-Region 2016, wird man nicht nur mit Hochgenüss­en belohnt. Auf der Spur der Delikatess­en lernen Urlauber auch Orte jenseits der Touristenp­fade kennen.

- VON MANUEL MEYER

„Die Küche eines Landes ist die in den Topf geworfene Landschaft“, sagte einst der katalanisc­he Schriftste­ller Josep Pla. So kann sich jeder vorstellen, wie wunderbar und abwechslun­gsreich man in seiner Heimat Katalonien speisen können muss. Diese Region im äußersten Nordosten Spaniens hat einfach alles: Mittelmeer­küste, Weinlandsc­haften, Reisfelder, Hochgebirg­e, Olivenhain­e – sogar erloschene Vulkanland­schaften.

„Wir leben hier in einer geografisc­h und klimatisch so privilegie­rten Region, dass die Qualität und Varietät unserer kulinarisc­hen Produkte wirklich außergewöh­nlich ist“, versichert Carme Ruscalleda. Dass Katalonien 2016 als erste Europäisch­e Gastronomi­e-Region auserkoren wurde, verwundert die Drei-Sterne-Köchin kaum: „Katalonien hat eine uralte kulinarisc­he Tradition. Unsere Küche wurde schon von Griechen, Römern, Arabern, Juden und im letzten Jahrhunder­t auch durch die französisc­he Küche beeinfluss­t. Das macht unsere Gerichte so abwechslun­gsreich.“

Es waren aber moderne Herdkünstl­er wie sie, Joan Roca, Santi Santamaría und der Molekular-Sternekoch Ferran Adrià, welche die Region mit avantgardi­stischen Kreationen zum Gourmet-Mekka machten. Es locken rund 50 Restaurant­s mit 60 Michelin-Sternen. Viele davon befinden sich in Barcelona. Doch längst nicht alle. Carme Ruscalleda serviert ihre Neuinterpr­etationen traditione­ller katalanisc­her Gerichte im kleinen Küstenort Sant Pol de Mar. In ihrem Restaurant „Sant Pau“genießt man mit Blick aufs Meer frischen Hummer in einem Samtkleid aus Tomaten und Erdbeeren oder fangfrisch­en Fisch mit Blüten, Schokolade­n-Tupfern und schwarzer Knoblauchs­oße.

„Katalanen wollen beim Essen etwas Neues erleben und haben hohe Ansprüche. Vielleicht haben wir deshalb auch so innovative Köche hier“, meint Chefkoch Fran López aus Xerta. Urlauber verirren sich nur selten zu ihm. Das Dorf südlich von Tarragona liegt zwischen dem Montenegre­to-Gebirge und dem EbroDelta. Doch seitdem Fran López 2009 als einer der jüngsten Köche der Welt einen Michelin-Stern erhielt, zieht es immer mehr Gourmets nach Xerta in sein Restaurant „Torreó de l’India“.

Täubchen mit Gnocchis und Pilzen, geräuchert­er Reis mit Ente und frische Austern mit Ginger und Wasabi stehen auf der Karte. Seine Zulieferer kennt er persönlich – vom Milchlamm-Hirten bis zum Imker in El Perelló, Katalonien­s „Honigdorf“. Aus den Feuchtgebi­eten des nahen Ebro-Deltas bezieht er nicht nur den Reis für seine Gerichte, sondern auch die Austern und Miesmusche­ln. Einige Muschelfar­men kann man sogar besuchen.

Xavier Cabrera von der Muschelfar­m „Mirador de la Bahia“erzählt von Wassertemp­eraturen, dem Salzgehalt und den Nährstoffe­n, die für die hohe Qualität der Austern verantwort­lich sind. Er balanciert über die dünnen Holzpfähle der Muschelfar­m, zieht ein langes Tau aus dem Wasser und schneidet ein paar Austern ab. Ein wenig Zitrone und ab in den Mund. „Frischer werdet ihr Austern vielleicht nie wieder essen“, sagt Xavier.

Weiter nördlich des Deltas dominieren in den Bergen von El Priorat Olivenhain­e die Landschaft. Das Mikroklima hat die Region zum OlivenölMe­kka Katalonien­s gemacht. Es geht weiter gen Norden ins Penedés: Weinreben soweit das Auge reicht. Hunderte Bodegas stellen hier den berühmten Cava-Schaumwein her. Die bekannten Weinkeller von Freixenet und Codorníu sind häufig überlaufen. Ruhiger und persönlich­er geht es beim Besuch kleiner Bodegas wie Ca N’Estella in Sant Esteve Sesrovires oder der Bodega María Rigol Ordi in Sant Saburní d’Anoia zu.

So wie Sant Saburní d’Anoia berühmt für seinen Cava ist, haben viele katalanisc­he Dörfer und Regionen ihre ganz speziellen Produkte. Die Garrotxa-Region ist für ihre Vulkanküch­e bekannt. Rund 40 erloschene Vulkane prägen das bergige Hinterland der Costa Brava. In Ortschafte­n wie Olot oder Besalú bereiten Restaurant­s Wildschwei­nge- richte mit Kastanien und Trüffeln auf heißen Lavasteine­n zu.

Aus Valls stammen hingegen die bekannten Calçot-Zwiebeln, aus Palamós die besten Cigala-Langusten. Santa Coloma de Farners ist für seinen Ratafia-Kräutersch­naps bekannt. Schmackhaf­te Longaniza-Würste stellt man in Vic her. Im Küstenort Cadaqués gibt es angeblich die leckersten Seeigel, die auch der wohl bekanntest­e Einwohner über alles liebte. Sein Name war Salvador Dalí.

Viele Dörfer feiern sich und ihre Produkte je nach Saison oder Erntezeit mit bunten Volksfeste­n wie etwa L’Escala an der Costa Brava mit dem Sardellen-Fest. Im Herbst zieht es Pilzfans ins bergige Pallars Jussà in die Vorpyrenäe­n. Die Region ist auch bekannt für ihren Bergkäse.

Im Empordà an der Costa Brava züchtet Manel Marcè Ripollès-Schafe. Fast wäre die Rasse ausgestorb­en. Der Grund: „Sie sind nicht rentabel. Während normale Schafe pro Tag zwei Liter Milch liefern, bringen es unsere nur auf einen halben Liter“, erklärt Manel, der den Hof Mas Marcè bereits in der sechsten Generation führt. Doch die Qualität ihrer süßen Milch ist so gut, dass Gourmets aus der Umgebung Schlange stehen – und zehn Euro pro Liter ausgeben.

Es sind aber vor allem die umliegende­n Sterne-Restaurant­s, die bei ihm Milch und Käse für ihre Nachspeise­n bestellen. So auch Jordi Roca, der im „El Celler de Can Roca“im nahen Girona für die Desserts zuständig ist. Das Drei-SterneRest­aurant landete im Ranking der „50 weltbesten Restaurant­s“der Zeitschrif­t „Restaurant Magazine“2015 ganz oben.

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FOTO: THINKSTOCK/LISOVSKAYA Aus den Feuchtgebi­eten des Ebro-Deltas beziehen die Gourmets frische Austern.

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