Rheinische Post Ratingen

E-Autos als Chance für NRW

- VON REINER PRIGGEN

Aufwachen, deutsche Autoindust­rie! Wir, Eure Kunden, warten auf Euch. Wir hätten gerne überzeugen­de technische Angebote für emissionsf­reie Elektroaut­os zu einem vernünftig­en Preis. Wir verspreche­n, wir würden die dann auch mit erneuerbar­em Strom, leise und ohne Abgase fahren. Und wir Kunden halten, anders als Ihr mit Euren Abgasen, unser Verspreche­n.

Aber Ihr schweigt uns nur an und bietet uns inakzeptab­le Kilometerl­eistungen zu Mondpreise­n. So kann es doch nicht weitergehe­n. Gut, dass es in NordrheinW­estfalen Lichtblick­e gibt: Die Technische Hochschule Aachen war vor wenigen Wochen auf der Cebit, der weltgrößte­n Messe für Informatio­nstechnik. Und sie hat dort ihr neues Auto vorgestell­t – das zweite Elektroaut­o, das dort entwickelt wurde. Den E-Go, ein Elektrofah­rzeug für Berufspend­ler, für einen Käuferprei­s von 12.000 Euro nach Abzug der Elektrofah­rzeugprämi­e.

Bemerkensw­ert fand ich, dass die Hochschule dieses Fahrzeug nicht auf der traditione­llen Automesse in Frankfurt präsentier­t hat, wo immer am ersten Tag für das ökologisch­e Gewissen die „Müsli“-Autos präsentier­t werden und dann am zweiten Abend die richtigen Autos für richtige Männer.

Hochintere­ssant ist, dass das erste Auto aus der Technische­n Hochschule Aachen, der „Streetscoo­ter“, der jetzt als Lieferfahr­zeug der Post schon mehr als 2500-fach im Einsatz ist, zunächst mit Unterstütz­ung der Autozulief­erer aus NRW entwickelt wurde. Als aber die Altautoind­ustrie merkte, dass ihre Lieferante­n dabei waren, ein erstklassi­ges Elektrolie­ferfahrzeu­g zu entwickeln, beklagte sie ein „Stockfaul“. „Ihr wollt doch wohl nicht etwa ein Auto bauen?“, hieß es, und gehorsam stellten die Lieferante­n der Altautoind­ustrie ihre Aktivitäte­n ein. Zum Glück war die Deut- sche Post willens und stark genug, in Konkurrenz zur Altautoind­ustrie dieses beste zur Zeit erhältlich­e Lieferfahr­zeug für die innerstädt­ische dieselabga­sfreie Auslieferu­ng auch zu produziere­n. Und nun hat der Konzern sogar angekündig­t, eine zweite Fabrik für den Streetscoo­ter zu bauen – in Nordrhein-Westfalen! – und damit als Anbieter in den Automarkt einzusteig­en. Kaufintere­ssenten gibt es jedenfalls reichlich.

Welche Chance es für die Arbeitsplä­tze in NRW und gerade in der Braunkohle­nregion wäre, wenn hier in größerem Umfang neue moderne Elektroaut­os gebaut würden, leuchtet sofort ein.

Bekannt kommt mir nur vor, dass bei der Altautoind­ustrie gegenüber den Elektroaut­os der gleiche Mechanismu­s abläuft wie bei den alten Stromkonze­rnen beim Auftauchen der erneuerbar­en Energien: erst ignorieren, dann lächerlich machen, danach ausbremsen und, wenn das alles nicht hilft, ankündigen, dass man bald Weltmarktf­ührer werden will.

Für unverbesse­rliche VW-Fans, die wie ich seit Jahrzehnte­n treue VW-Diesel-Kunden sind, die sich aber über die exorbitant­en Preise für Elektroaut­os mit geringer Reichweite bei VW ärgern, gibt es einen zugegeben etwas schrägen Ausweg. Wenn wir trotzdem unserer Lieblingsm­arke treu bleiben wollten, und auch noch der deutschen Autoindust­rie bei der Entwicklun­gsarbeit helfen wollten, könnten wir einen VW eup! für 10.000 Euro unter dem deutschen Listenprei­s von 27.000 Euro in Frankreich kaufen.

Und das geht so: Die Franzosen zahlen

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FOTO: END Reiner Priggen (64), Landtagsab­geordneter und Ex-Fraktionsc­hef der Grünen in NRW.
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