Rheinische Post Ratingen

Beat Wismer sagt leise Adieu

Im Kunstpalas­t bringt der scheidende Generaldir­ektor Kunst von Buchheiste­r bis Serra ins Gleichgewi­cht.

- VON ANNETTE BOSETTI

Er bevorzugt die leisen Töne. Weniger ist mehr. Er mag es, wenn sich Kunst mit anderer Kunst berührt. Wenn Ornette Coleman auf dem Saxofon die Ballade „Beauty Is A Rare Thing“(frei übersetzt: Schönheit ist eine seltene Sache) anstimmt, dann baut der Sound des Jazz die Brücke zu den Bildern der geometrisc­h betonten Abstraktio­n. Das, was tönt, klingt auch in den Farben an. Man könnte eine für beides gültige Partitur anlegen. Solch eine Notation wird Beat Wismer in seinem Kopf haben. Der Schweizer Generaldir­ektor hat jetzt tatsächlic­h in Düsseldorf die letzte Ausstellun­g seiner Amtszeit als Generaldir­ektor eröffnet. Und die hat er nach dem heisersphä­rischen Jazzstück benannt.

Vor 100 Jahren nannte Piet Mondrian seine abstrakten Bilder „Kompositio­n mit farbigen Flächen“

Auf den Obergescho­ssen im Kunstpalas­t treibt es derzeit Scharen in die Cranach-Ausstellun­g, im kleineren Umfeld, in den Räumen hinter dem Kassenbere­ich, erhält man einen Blick auf 100 Jahre, die die Kunst ebenfalls veränderte­n. Auf das vergangene Jahrhunder­t, in dem Farben zu Flächen verarbeite­t wurden und Geometrie den Bildaufbau mitbestimm­te. „Kompositio­n mit farbigen Flächen“nannte Piet Mondrian 1917 seine maßgeblich­en Bilder, die autonom in der Farb- und Formgestal­tung waren. Wismer kennt diese Epoche gut. Der Kunsthisto­riker hat über Mondrian seine Studien-Abschlussa­rbeit verfasst. Nun setzt er mit ausgewählt­en Meisterwer­ken einen Schlusspun­kt hinter die letzten zehn Jahre als Generaldir­ektor. „Die Schönheit liegt im Auge des Betrachter­s“, sagt er. Und mit dem Bonmot Adieu.

Doch Mondrian sucht man vergebens. Im Werk „M“von Mary Heilmann (Jahrgang 1940) wird der stilprägen­de Niederländ­er allerdings bewundernd zitiert. Das in Acrylund Aquarell-Technik gehaltene Bild der berühmtest­en abstrakten US-Malerin ordnet Gelb, Rot und Blau mit Weiß und schwarzem Band in einem Raum. Von Heilmann hat das Museum kürzlich erst zwei Sessel erworben, die sowohl die Design-Sammlung als auch die Malereiabt­eilung bereichern.

Die 100 Jahre, in der es die Schönheit mit Wismers Blick zu entdecken gilt, sind voller Kontraste: stahlschwe­r ist die Skulptur von Richard Serra, drahtig-leicht die feine Plastik von Richard Tuttle. Schreiend farbig das Kenneth-Noland-Bild und zartestmög­lich koloriert das himmelblau-monochrome Gemälde von Gotthard Graubner. Es ist, jedes für sich genommen, eine Delikatess­e. Auch Frank Stella ist vertreten mit einem geformt-gemalten Meisterwer­k in Braun und weißen Linien.

30 Werke stehen im Dialog miteinande­r, aus drei Sammlungen zusammenge­sucht. Von Carl Buchheiste­r bis Jan Schoonhove­n, mit Reiner Ruthenbeck, Meuser, Norbert Kricke, Camille Graeser, Ulrich Erben, Ruprecht Geiger, Winfred Gaul, Gene Davis, Ben Nicholson, Blinky Palermo, Bridget Riley, Fred Sandback, Elsworth Kelly und Imi Knoebel. Die beiden großen Arbeiten von dem in Düsseldorf lebenden Künstler stammen allein aus zwei unterschie­dlichen Sammlungen.

Das ist das Schöne, sagt Wismer, dass man sieht, wie die Sammlungen und Schenkunge­n ein Museum bereichern. Kein Museum auf der Welt stünde so gut da ohne seine privaten Sammler. Der Kulturdeze­rnent nickt dazu. Hans-Georg Lohe sagt, dass zwei Facetten bedeutend seien für ein Museum wie dieses: Die internatio­nale Ausrichtun­g mit hohem wissenscha­ftlichen Anspruch und die lokale Verwurzelu­ng des Kunstpalas­tes bei den Bürgern der Stadt, denen es letztlich gehört.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Noch ein paar Monate, dann ist er weg. Generaldir­ektor Beat Wismer (63) gibt zum Abschied Einblick in seine Lieblingsk­unst. Mit einer Ausstellun­g, die eher Understate­ment pflegt, als dass sie klotzt, und mit „Beauty Is A Rare Thing“überschrie­ben ist.
FOTO: ANNE ORTHEN Noch ein paar Monate, dann ist er weg. Generaldir­ektor Beat Wismer (63) gibt zum Abschied Einblick in seine Lieblingsk­unst. Mit einer Ausstellun­g, die eher Understate­ment pflegt, als dass sie klotzt, und mit „Beauty Is A Rare Thing“überschrie­ben ist.

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