Die Toten Hosen im Wohnzimmer
Campino und Co. gaben ein Konzert im Haus eines Fans in Geilenkirchen. 80 Gäste erlebten diesen besonderen Abend.
Schönste Szene: Als der Bruder des Gastgebers im Durchgang zur Küche auf Breiti trifft und sagt, dass das hier definitiv das größte Ereignis in seinem Privatleben sei. Dann trinkt er einen Schluck Bolten-Alt, schweigt ein bisschen mit Breiti und schiebt pflichtbewusst hinterher: also, zusammen mit der Geburt der Kinder natürlich.
Die Toten Hosen spielen in Geilenkirchen im Wohnhaus von Michael Wassen, genannt Michi. Wassen ist 43 und Hauptbrandmeister bei der Feuerwehr, aber heute ist er hauptberuflich Fan und steht in Flammen. Neben der Eingangstür hängen historische Konzertkarten, eine Biographie aus Bühnen-Erlebnissen, liebevoll gerahmt: Lindenberg, Guns N’ Roses 1992 im Müngersdorfer Stadion und immer wieder die Toten Hosen. Die Band spielt gleich in seinem Wohnzimmer, auf 80 Quadratmetern. „Sechser im Lotto“, sagt Wassen, begrüßt einen Gast und ruft aus einer festen Umarmung heraus: „mit Zusatzzahl!“Im Hintergrund hüpft seine Tochter vorbei und schreit. Sie hält ihr Handy in die Luft, darauf ist ein Selfie mit Campino zu sehen. Der steht gerade in der offenen Küche und schaut, was es zu trinken gibt. Jägermeister, Aperol, Bier oder Rosé – dann lieber ein Bier.
Das Haus der Wassens steht in einer Siedlung und sieht ziemlich weiß und neu aus. Den Kaminofen hat Wassen abgebaut und bei einem Freund eingelagert. Die restliche Einrichtung transportierten er und seine Kumpels mit fünf Anhängern ab. Sicher ist sicher. Er hat 80 Leute eingeladen, alle waren zu strikter Verschwiegenheit verpflichtet, damit am Ende nicht die halbe Republik vor der Tür steht. Die Ehefrauen seiner besten Freunde erfuhren zum Teil erst am Abend selbst von dem Ereignis. Gitarrist Breiti und Bassist Andi stehen an der Tür und empfangen mit allergrößter Gelassenheit die Gäste: Herzlich willkommen. Viele Gäste kreischen und wissen nicht, ob sie die Helden umarmen oder fotografieren sollen. Meist tun sie beides. Überhaupt wird viel umarmt. Wassen hat einen Toilettenwagen besorgt, und wer aus der Klotür tritt, umarmt den davor Wartenden und murmelt etwas, in dem die Wörter „so“und „geil“vorkommen. Wassen hat seiner Familie Trikots drucken lassen: „Die Toten Hosen“steht darauf, das Datum und auf dem Rücken Spielernummern: 1 für den Vater, 2 für die Mutter und 3 bis 5 für die Kinder. Ob er auch Haustiere hat? „Der Dackel ist bei Freunden, und die Katzen laufen Amok.“
Die Toten Hosen sind auf „Magical Mystery Tour“, sie kommen zu ihren Fans, spielen in Garagen, Kellern und offenen Fenstern. Das hat Tradition, jeder kann sich bewerben, fast 5000 Fans haben es in diesem Jahr getan, zumeist per Video. Nachdem Andi und Breiti eine Vorauswahl treffen, entscheidet die gesamte Band, wohin man reist. Zwölf Orte haben sie ausgewählt. „Es geht um den Vollkontakt mit den Leuten“, sagt Breiti. Wassen gewann, „weil wir gemerkt haben, dass er zu uns passt“. Wassens Botschaft: „Wenn ihr kommt, kehrt das Geil zurück nach Geilenkirchen.“
Die Ereignisse im Schnelldurchlauf: Die Band kommt am Nachmittag an und wird von der Familie zur Stadtrundfahrt verdonnert: „Die meisten Sehenswürdigkeiten waren mit Brettern vernagelt“, sagt Breiti. Der Bruder von Wassens Ehefrau reist eigens aus Malaysia an. Die Tochter des Hauses bricht beim Soundcheck in Tränen aus: „Du bist super, Papa“, seufzt sie. Jeder Gast macht mit jeder Toten Hose mindestens ein Selfie, leider ist die Internetverbindung schlecht. Ein Freund, der Einsatzleiter bei der Polizei ist und in Krefeld eine Demo sichern musste, wird in letzter Sekunde mit dem Polizei-Bully vorbeigebracht. Ein Gast trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Drei Kreuze, dass wir hier sind“.