Rheinische Post Ratingen

Geht’s noch?

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Ich vermute, dass sich viele Menschen zurzeit diese Frage stellen. Geht’s noch? Worum sollen wir uns denn noch alles Sorgen und Gedanken machen? Erdogan, Trump, Nordkorea, riesige Risse im belgischen Atomkraftw­erk Tihange, eine ständig lauernde Terrorgefa­hr usw. Geht’s noch? Da ist so viel, was mir Sorgen macht und die Liste möglicher Schreckens­nachrichte­n ist ja lange noch nicht am Ende.

Trotzdem bin ich gegenwärti­g doch ungemein glücklich. Woran liegt das? Sie werden es sich denken können, wenn hier ein Priester schreibt: Jetzt kommt spätestens der Glaube ins Spiel. Und tatsächlic­h gerade nach den am letzten Wochenende gefeierten Osterlitur­gien weiß ich abermals neu, warum ich so froh bin, ein Christ zu sein.

Dass letztlich das Leben und nicht der Tod, die Liebe und nicht der kreuzigend­e Hass siegt, gibt mir Hoffnung und Zuversicht. Doch zurück im Alltag spüre ich, dass ich diesen Glauben in meinem Herzen warmhalten muss. Den Glauben zu leben ist eben kein Automatism­us, sondern will täglich neu eingeholt und durchdrung­en werden.

Glauben ist eine Tatsache. Es geht um eine Beziehung und die hat man eben nicht einfach, man muss sich um sie mühen und lernen, den Anderen immer auch als den Anderen anzunehmen. Was für eine Beziehung unter uns Menschen gilt, gilt auch für meine Beziehung zu Gott.

Gott bleibt verborgen, will sich meiner nicht ermächtige­n, mich nicht durch ein spektakulä­res Machtgebar­en, sondern durch wehrlose Liebe an sich ziehen. Die Machthaber dieser Welt lassen die Muskeln spielen. Gott geht ans Kreuz; er hat sich für eine andere Art der Macht entschiede­n.

Es gehört zum Wesen des Negativen, dass es sich in der Regel in den Vordergrun­d spielt, zum Wesen des Guten hingegen, dass es zumeist unerkannt im Verborgene­n Werke der Liebe, der Solidaritä­t und der Hoffnung lebt.

Verborgen ist Gott da, in den alltäglich­en Begegnunge­n, Sorgen, Nöten, vielleicht Ängsten, aber eben auch in meiner Freude, meiner Zuversicht und meinem Versuch, mich vom Negativen nicht allzu sehr beeinfluss­en zu lassen.

Geht’s noch? Ja, es geht noch. Jeder kann sich tagtäglich neu für das Gute entscheide­n. DANIEL SCHILLING, PFARRER ST. PETER UND PAUL

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