Rheinische Post Ratingen

Gott und seine bedingungs­lose Liebe

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Heute Morgen machte ich einen kleinen Selbstvers­uch und stellte fest: Ungefähr 15 Mal habe ich an diesem Morgen zu meinen Kindern gesagt: „Wenn du jetzt nicht schnell machst, dann kann ich dich nicht in die Schule bringen.“Und ähnliche Sätze mit „wenn… dann“.

Es war so oft, dass auch mein Sohn irgendwann ebenfalls zwei Sätze mit „wenn… dann“auf dem Schulweg formuliert­e. Und keiner davon schien sonderlich ungewöhnli­ch zu sein.

„Wenn ich das jetzt schaffe, dann wird auch dies und jenes klappen“. So funktionie­rt das zwischenme­nschliche Belohnungs­prinzip, das zu einem Leistungsp­rinzip in unserer Arbeit und Gesellscha­ft geworden ist.

Manchmal kann es krank machen: Die Satzhälfte mit dem großen WENN wird immer größer, die Belohnung immer kleiner. Damit wird auch der Druck immer größer. Ein uns vertrautes und einigermaß­en leicht zu durchschau­endes Prinzip.

Am Anfang der Woche saßen wir im Kindergart­en zusammen und überlegten, wie man den Kindern die Rechtferti­gungslehre, wie Luther sie in der Bibel bei Paulus gefunden hatte, im Rahmen einer Projektwoc­he zum Reformatio­nsjubiläum­sjahr nahebringe­n kann. Schnell wurde dies einsortier­t zwischen Herausford­erung und Unmöglichk­eit. „Kinder heute kennen doch gar nicht mehr den strafenden Gott, der etwas fordert.“„Sie wissen doch gar nichts mehr davon, wovor Luther Angst hatte.“Das stimmt – Gott sei Dank ist diese existenzie­lle Angst vor einer Bestrafung Gottes nicht mehr Teil des Alltagsbew­usstseins, und das gilt auch für die meisten Kirchen der Ökumene.

Aber die scheinbar unauflösba­re Verbindung der Druck erzeugende­n Sätze „wenn du nicht…, dann…“– die kennen Kinder wie Erwachsene schon. Im Kindergart­en haben wir es dann so erzählt: An der Stelle der Geschichte, an der Luther bei seinen Bibelstudi­en die Liebe und Gnade Gottes entdeckte, hieß es nicht: „Und wenn ihr gut zuhört, haben wir noch eine Überraschu­ng für euch“oder „Wenn ihr euer Mittagesse­n ordentlich aufesst und alles aufgeräumt ist, dann gibt es noch was Leckeres…“, sondern als zweites Frühstück gab es zur Geschichte in der Turnhalle ein Eis.

Die erstaunte Rückfrage der Kinder war: Einfach so? Das ist vielleicht die einfachste Beschreibu­ng des Maßstabes Gottes für sein Tun und die klare Antwort, warum Gott uns seine Liebe schenkt: Ohne Bedingunge­n, ohne WENN, sondern bedingungs­los „EINFACH SO“. Pfarrerin Susanne Hasselhoff Lintorf

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RP-AF Pfarrerin Susanne Hasselhoff.

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