Rheinische Post Ratingen

„Wasser wird zur entscheide­nden Ressource des 21. Jahrhunder­ts“

- VON PHILIPP JACOBS

Die Sumerer erfanden das Rad und die Keilschrif­t, sie bauten die ersten Bogengewöl­be und verfassten das Gilgamesch-Epos, heute eine der ältesten überliefer­ten Dichtungen der Menschheit. Vor etwa 4000 Jahren starb die Sprache der Sumerer aus. Sie fiel einer Dürre zum Opfer, die 300 Jahre dauerte. Es war die heftigste Trockenzei­t, die Mesopotami­en heimsuchte, Euphrat und Tigres führten kaum noch Wasser. Das Zweistroml­and drohte zu vertrockne­n. Aufstände und Kriege trieben die Sumerer auseinande­r. Das Volk schloss sich anderen Gruppen an und übernahm deren Sprache. Sumerisch hörte man wenig später nirgendwo mehr.

Wasser spendet Leben. Wo es versiegt, verdorren Pflanzen, verenden Tiere. Die Landwirtsc­haft bricht ein, es kommt zu Unruhen. Knapp die Hälfte der Weltbevölk­erung wird im Jahr 2030 unter hohem Wasserstre­ss leiden, sagen Wissenscha­ftler. Wohin die Wasserknap­pheit führen kann, zeigt nicht nur die heftige Dürrephase vor 4000 Jahren. Im Nahen Osten hat sie womöglich den Krieg in Syrien mit ausgelöst.

Im Jahr 2006 erfasste eine Dürre weite Teile des Fruchtbare­n Halbmonds am Oberlauf von Euphrat und Tigres. Der syrische Präsident Baschar al Assad ermutigte die Landwirtsc­haft zum Anbau exportfähi­ger Produkte, die viel Geld einbringen, etwa Baumwolle. Diese muss jedoch meist künstlich bewässert werden – in extrem trockenen Gegenden sehr kostspieli­g. Die Bauern begannen damit, illegal Brunnen zu graben, um an tiefer liegendes Wasser zu gelangen, damit sie die Felder noch bewirtscha­ften konnten. Die Folge: Der Grundwasse­rspiegel sank enorm. Mit der Dürre brach dann die Landwirtsc­haft in vielen Teilen vollständi­g ein. Die Getreidepr­eise schossen in die Höhe, Mangelernä­hrung nahm vor allem bei Kindern zu, weil die Eltern sich kaum noch Lebensmitt­el leisten konnten. „Die hohen Preise gelten als zusätzlich­er Faktor für die Demonstrat­ionen, die zum Arabischen Frühling geführt haben“, sagt Martin Keulertz, Dozent an der American University of Beirut.

Einmal im Monat reist Keulertz in seine Heimatstad­t Düsseldorf, um dort der Fortuna im Stadion die Daumen zu drücken. Den Rest seiner Zeit widmet er dem Wasser und dessen Verwendung im Nahen Osten. „Wasser wird zur entscheide­nden Ressource des 21. Jahrhunder­ts“, sagt Keulertz. Dabei ginge es weniger um die Trinkwasse­rversorgun­g als um die Wassermeng­en, die in der Landwirtsc­haft gebraucht werden. „In unseren Lebensmitt­eln steckt der größte Teil unseres Wasserverb­rauchs“, sagt Keulertz. Der normale Düsseldorf­er verbrauche 3000 bis 6000 Liter Wasser pro Tag durch seine Lebensmitt­el – je nach Fleischapp­etit. Dieses „virtuelle Wasser“, das für die Herstellun­g von Produkten unerlässli­ch ist, das wir aber nicht direkt zu uns nehmen, sei das Hauptprobl­em.

Im Idealfall wird für die Landwirtsc­haft hauptsächl­ich sogenannte­s grünes Wasser eingesetzt. Es ist das natürlich vorkommend­e Bodenund Regenwasse­r, das von Pflanzen aufgenomme­n wird und verdunstet. „Blaues Wasser“hingegen ist Grund- oder Oberfläche­nwasser (Seen, Flüsse, Sümpfe), das künstlich zur Herstellun­g eines Produktes Martin Keulertz Dozent American University of Beirut

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