„Wasser wird zur entscheidenden Ressource des 21. Jahrhunderts“
Die Sumerer erfanden das Rad und die Keilschrift, sie bauten die ersten Bogengewölbe und verfassten das Gilgamesch-Epos, heute eine der ältesten überlieferten Dichtungen der Menschheit. Vor etwa 4000 Jahren starb die Sprache der Sumerer aus. Sie fiel einer Dürre zum Opfer, die 300 Jahre dauerte. Es war die heftigste Trockenzeit, die Mesopotamien heimsuchte, Euphrat und Tigres führten kaum noch Wasser. Das Zweistromland drohte zu vertrocknen. Aufstände und Kriege trieben die Sumerer auseinander. Das Volk schloss sich anderen Gruppen an und übernahm deren Sprache. Sumerisch hörte man wenig später nirgendwo mehr.
Wasser spendet Leben. Wo es versiegt, verdorren Pflanzen, verenden Tiere. Die Landwirtschaft bricht ein, es kommt zu Unruhen. Knapp die Hälfte der Weltbevölkerung wird im Jahr 2030 unter hohem Wasserstress leiden, sagen Wissenschaftler. Wohin die Wasserknappheit führen kann, zeigt nicht nur die heftige Dürrephase vor 4000 Jahren. Im Nahen Osten hat sie womöglich den Krieg in Syrien mit ausgelöst.
Im Jahr 2006 erfasste eine Dürre weite Teile des Fruchtbaren Halbmonds am Oberlauf von Euphrat und Tigres. Der syrische Präsident Baschar al Assad ermutigte die Landwirtschaft zum Anbau exportfähiger Produkte, die viel Geld einbringen, etwa Baumwolle. Diese muss jedoch meist künstlich bewässert werden – in extrem trockenen Gegenden sehr kostspielig. Die Bauern begannen damit, illegal Brunnen zu graben, um an tiefer liegendes Wasser zu gelangen, damit sie die Felder noch bewirtschaften konnten. Die Folge: Der Grundwasserspiegel sank enorm. Mit der Dürre brach dann die Landwirtschaft in vielen Teilen vollständig ein. Die Getreidepreise schossen in die Höhe, Mangelernährung nahm vor allem bei Kindern zu, weil die Eltern sich kaum noch Lebensmittel leisten konnten. „Die hohen Preise gelten als zusätzlicher Faktor für die Demonstrationen, die zum Arabischen Frühling geführt haben“, sagt Martin Keulertz, Dozent an der American University of Beirut.
Einmal im Monat reist Keulertz in seine Heimatstadt Düsseldorf, um dort der Fortuna im Stadion die Daumen zu drücken. Den Rest seiner Zeit widmet er dem Wasser und dessen Verwendung im Nahen Osten. „Wasser wird zur entscheidenden Ressource des 21. Jahrhunderts“, sagt Keulertz. Dabei ginge es weniger um die Trinkwasserversorgung als um die Wassermengen, die in der Landwirtschaft gebraucht werden. „In unseren Lebensmitteln steckt der größte Teil unseres Wasserverbrauchs“, sagt Keulertz. Der normale Düsseldorfer verbrauche 3000 bis 6000 Liter Wasser pro Tag durch seine Lebensmittel – je nach Fleischappetit. Dieses „virtuelle Wasser“, das für die Herstellung von Produkten unerlässlich ist, das wir aber nicht direkt zu uns nehmen, sei das Hauptproblem.
Im Idealfall wird für die Landwirtschaft hauptsächlich sogenanntes grünes Wasser eingesetzt. Es ist das natürlich vorkommende Bodenund Regenwasser, das von Pflanzen aufgenommen wird und verdunstet. „Blaues Wasser“hingegen ist Grund- oder Oberflächenwasser (Seen, Flüsse, Sümpfe), das künstlich zur Herstellung eines Produktes Martin Keulertz Dozent American University of Beirut