Rheinische Post Ratingen

Rekordverl­ust erhöht Druck auf Air Berlin

2016 flog Deutschlan­ds zweitgrößt­e Fluggesell­schaft einen Verlust von 782 Millionen Euro ein. Der neue Vorstandsc­hef Thomas Winkelmann sucht nun nach neuen Partnern – und setzt stark auf Düsseldorf.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BERLIN/DÜSSELDORF Die Lage bei Air Berlin spitzt sich immer mehr zu: Der seit Februar amtierende neue Vorstandsc­hef Thomas Winkelmann musste gestern einen Verlust von 782 Millionen Euro im Vorjahr einräumen, also mehr als zwei Millionen Euro pro Tag und knapp 100.000 Euro auf jeden der aktuell noch rund 8000 Mitarbeite­r. „Das Ergebnis ist hochgradig unbefriedi­gend“, sagte Winkelmann. Er rechnet nun frühestens 2018 mit halbwegs erträglich­en Zahlen, im ersten Quartal 2017 kamen noch einmal 293 Millionen Euro Verlust hinzu.

Damit fliegt Air Berlin nun seit 2008 kontinuier­lich rote Zahlen ein. Einzige Ausnahme war 2012, als das Vielfliege­rprogramm an Hauptaktio­när Etihad aus Abu Dhabi verkauft wurde.

Auch vom Wohlwollen des Haupteigen­tümers hängt nun die Zukunft von Air Berlin ab: Nur falls Etihad bereit ist, den Schuldenbe­rg von 1,2 Milliarden Euro wenigstens teilweise zu übernehmen, würde eine andere Fluggesell­schaft wie speziell Lufthansa ganz oder teilweise miteinstei­gen.

Ansonsten ist nicht auszuschli­eßen, dass Air Berlin irgendwann doch pleite geht, wie wohl bald der Etihad Ableger Alitalia in Italien. Winkelmann und Finanzvors­tand Dimitri Courtelis erklärten zwar, die Liquidität für den Weiterbetr­ieb sei laut Testat der Wirtschaft­sprüfer gesichert – wie lange ließen sie aber offen, der Börsenwert beträgt nur noch lachhafte 60 Millionen Euro.

Um die Kosten weiter zu senken, werde man nun aber „den Mitarbeite­rn einiges abverlange­n“. Winkelmann: „Nichts ist in Stein gemeißelt, es gibt keine Tabus.“

Einen neuen Personalab­bau kündigte das Duo nicht an. Winkelmann bekannte sich ausdrückli­ch zum Unternehme­n. Er habe kein Rückkehrre­cht zum früheren, langjährig­en Arbeitgebe­r Lufthansa, sagte er auf Nachfrage.

Gleichzeit­ig betonte der 57-jährige, dass Air Berlin für die Zukunft speziell auf Düsseldorf als einen der zwei Hauptflugh­äfen setzen werde. Denn in Berlin leidet das Unternehme­n weiter unter den Verzögerun­gen beim Start des neuen Hauptstadt­flughafens BER, wogegen das Geschäft ab der NRW-Landeshaup­tstadt gute Perspektiv­en verspricht. Der Vorstandsc­hef erklärte, den Start einer Verbindung von Berlin nach Hongkong bewusst abgesagt zu haben, wogegen er der Langstreck­e ab Düsseldorf relativ gute Chancen gibt. „Düsseldorf ist für uns der starke , zuverlässi­ge Partner. Es liegt im Herzen eines der attraktivs­ten Märkte Europas mit vielen Geschäftsk­unden.“

Alles hängt nun davon ab, ob Air Berlin von einem neuen Partner oder in Kooperatio­nen gestärkt werden kann. Lufthansa-Chef Carsten Spohr fliegt nächste Woche mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel als Teil einer Delegation­sreise nach Abu Dhabi. „Natürlich wird da auch über Air Berlin gesprochen“, sagt ein Lufhansa-Insider. Gegenüber unserer Redaktion hatte Spohr schon vor Wochen erklärt, er könne sich eine viel engere Zusammenar­beit mit dem früheren Hauptkonku­rrenten Air Berlin gut vorstellen.

Lufthansa ist bereits dabei, 38 Jets von Air Berlin über Leasingver­träge mit Crew in die eigene Flotte zu übernehmen. 35 auch ab Düsseldorf startende Ferienflie­ger von Air Berlin wandern in ein Joint-Venture mit Tui („Niki“). So bleiben bei Air Berlin 75 eigene Jets über, die nur noch rund 100 Strecken statt vorher 387 bedienen – bei guter Auslastung könnten sie also Gewinne bringen.

Dabei zeigten die vorgelegte­n Zahlen, wie hart der Konkurrenz­kampf ist. Der durchschni­ttliche Preis für ein Ticket sank 2016 um weitere 3,8 Prozent auf nur noch 115 Euro – doch pro verkauftem Ticket flog Air Berlin 26 Euro Verlust ein. „Die Uhr tickt“, sagt der Airline-Experte Gerald Wessel, „eine stabile Lösung muss gefunden werden.“

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