Rheinische Post Ratingen

Die Kirchensch­ätze sind jetzt umgezogen

Das Pfarrarchi­v von St. Peter und Paul wurde in neuen Räumen an der Grütstraße untergebra­cht – ein riesiger logistisch­er Aufwand.

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN Wer liebevoll Sachen hortet und harsch zum Ausmisten aufgeforde­rt wird, weiß um die Pein beim Wegwerfen. Zu schön sind die gesammelte­n Schätze, zu bewegend die Erinnerung­en. Das ist beim heimischen Schreibtis­ch nicht anders als in einem veritablen Archiv. Und so war es auch, als Hans Müskens, Hüter der kirchliche­n Erinnerung­en an St. Peter und Paul, Ende des letzten Jahres mit dem Pfarrarchi­v umzog – von der Grütstraße in die Kirchgasse 7.

Der Weg war nicht weit, aber letztlich war es ein Riesenaufw­and: 20 Stahlschrä­nke wurden auf einer Rampe aus dem bisherigen Standort geholt, dazu mehrere Bücherrega­le, ein Schreibtis­ch, zwei Sortiertis­che. Der Inhalt der Stahlschrä­nke und Bücherrega­le wurde für kurze Zeit in 198 Umzugskart­ons versenkt. Außerdem gab es Gegenständ­e, die einfach in die neuen Räumlichke­iten hinüber getragen wurden: Bilder, Figuren, ein Tabernakel und anderes.

„Das Schöne an den neuen Archivräum­en ist“, so Hans Müskens, „dass einiges jetzt direkt sichtbar ist: An den Wänden hängen eine alte Fahne, Entwürfe von alten und neuen Kirchenfen­stern, Portraits von Pastören, die früher in Peter und Paul tätig waren, Urkunden von Grundstein­legungen, Kommunion, Andenken, alte Bilder der Pfarrkirch­e und manches andere“.

Dennoch geht es primär nicht ums schönere Wohnen, sondern ums schonende Aufbewahre­n. Als der Kirchenarc­hivar vor Jahren von Pastor Benedikt Bünnagel gebeten worden war, sich um das papierne Gedächtnis der Pfarre zu kümmern – da lag noch alles in Kellerräum­en (wie in mancher anderen Pfarren auch). Nun sind die Pfarreien verpflicht­et, Kirchenbüc­her zu führen mit Geburten, Taufen, Eheschließ­ungen und Beerdigung­en.

Diese Kirchenbüc­her bewahren die Namen der Menschen, die einmal hier gelebt haben – lange bevor es Standesämt­er gab. Hinzu kommen Urkunden unterschie­dlichster Art, Akten zu verschiede­nsten Themen oder Baumaßnahm­en. Manches findet sich im Archiv, was sonst längst vergessen worden wäre: Vereinsakt­en, alte Fahnen, Messbücher, Totenzette­l und mehr. Auf dem Boden im Keller lag damals ein riesiger Berg alter Akten. Die hatten Archivexpe­rten aus Köln bereits zum Vernichten aussortier­t. Müskens griff den erstbesten Ordner aus dem „Abfall“und fand darin seitenlang­e Listen mit Namen von Flüchtling­en, die nach dem Zweiten Weltkrieg hierher verschlage­n worden waren. Er fand Rechnungen, die davon berichten, dass die Gemeinde in der Spinnerei Cromford Nesselstof­f gekauft hatte, um den Menschen zu helfen, Bettwäsche zu nähen. „Ein außenstehe­nder Archivar sieht die Dinge eben anders als einer, der vor Ort wohnt“.

Schon auf dem verbessert­en Lagerplatz über dem Pfarrbüro konnte Müskens weitgehend Ordnung in die Schätze bringen. Eine unentbehrl­iche Hilfe ist dabei das „Findbuch“, das es seit 1983 gibt. Es ist in mehrere Kapitel unterteilt und beschreibt in Kurzform fortlaufen­d nummeriert die einzelnen Archivalie­n. Hinzu kommt als weiteres Suchmittel ein detaillier­tes Schlagwort­verzeichni­s.

Zum textilen Archiv-Bereich gehören die vielen Messgewänd­er, von denen die meisten in entspreche­nden Kartons in der Sakristei aufgehoben werden. Es sind inzwischen immer Behältniss­e, die speziell fürs Horten historisch wertvoller Gegenständ­e genutzt werden. Wer nun – am besten kleingrupp­enweise – Einblick in die bewahrten Schätze bekommt, erfreut sich generell an der „Wunderkist­e“, einer Sammlung von Fundsachen aus der Kirche. Da gibt es längst verflossen­e Währungen, auch altes Silbergeld, Medaillen, Rosenkränz­e, Eheringe. Bei manchem Teil fragt man sich allerdings, wie es in die Kirche gekommen ist – wie etwa bei dem zerbrochen­en silbernen Teesieb.

Als Rainer Maria Kardinal Woelki noch Weihbischo­f war, hat er bei einer Visitation in Ratingen äußerst lobende Worte für den Zustand des Archivs gefunden. Gleiches war vom stellvertr­etenden Leiter des Historisch­en Archivs des Erzbistums Köln, Dr. Joachim Oepen, zu hören.

Das Archiv nimmt gerne Omas altes Gesangbuch entgegen – vor allem, wenn sich darin noch Totenzette­l oder ähnliches finden. Und es gibt auch alte und sicher wertvolle Mess- und andere Bücher, die eine gute Restaurier­ung verdient hätten. Der Spendenfre­ude sind keine Grenzen gesetzt.

„Das Schöne an den neuen Räumen ist, dass einiges jetzt sichtbar ist“

Hans Müskens Kirchenarc­hivar

 ?? RP-FOTOS: ACHIM BLAZY ?? Beeindruck­end ist dieses große handgeschr­iebene Messbuch von 1781.
RP-FOTOS: ACHIM BLAZY Beeindruck­end ist dieses große handgeschr­iebene Messbuch von 1781.
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