Rheinische Post Ratingen

Vermieter weisen Familie mit Kind ab

Seit einem halben Jahr sucht ein Paar für sich und seine sechsjähri­ge Tochter eine Drei- oder Vierzimmer-Wohnung. Doch immer wieder erhält die Familie Absagen, weil die Vermieter lieber kinderlose Paare oder Singles wollen.

- VON JÖRG JANSSEN

Über die Dreistigke­it des potenziell­en Vermieters schüttelt Yvonne Fiedler heute noch den Kopf. „Wir haben uns beworben, kurz darauf schrieb uns die Maklerin eine SMS“, sagt die 43-Jährige, die mit Partner Dennis Pohl und der gemeinsame­n Tochter Anna in einer Zwei-Zimmer-Wohnung an der Himmelgeis­ter Straße lebt. Der Inhalt der Nachricht: „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass mein Vermieter keine Kleinkinde­r wünscht! Von Herzen tut es mir wirklich leid...“Und bei einer angeblich schon vermietete­n Wohnung, die dann doch wieder angeboten wurde, schrieb die zuständige Hausverwal­tung: „Ja, die Wohnung ist wieder online, allerdings habe ich von der Eigentümer­in jetzt leider die Auflage erhalten, ausschließ­lich an ein kinderlose­s Pärchen zu vermieten. Es tut mir sehr leid.“

Was das Paar – er ist Ingenieur, sie arbeitet als Bankkauffr­au in einer Leasingges­ellschaft – besonders ärgert: Eine dieser Wohnungen war 100 Quadratmet­er groß, hatte vier Zimmer und war mit rund 1000 Euro Warmmiete für Düsseldorf­er Verhältnis­se günstig. „Was will ein Single damit?“, fragt Pohl, der – trotz eines guten Haushaltse­inkommens – nicht bereit ist, jeden x-beliebigen Preis zu zahlen. „Wo soll das denn hier in Düsseldorf noch hinführen?“, fragt er. In einem Fall wollte es der in Volmerswer­th aufgewachs­ene 44-Jährige genauer wissen und schaltete einen Bekannten mit veränderte­m Profil ein. „Wir wollten einfach wissen, ob es vielleicht doch irgendwie an uns liegt“, sagt er. Doch auch der Freund erhielt die Antwort: „Keine Kinder unter zwölf Jahren erwünscht.“

Dass es Familien mit Kindern in Städten wie Düsseldorf schwer haben, weiß auch Martina Huxoll-von Ahn vom Kinderschu­tzbund. „Was das Paar erlebt, ist leider kein Einzelfall“, sagt die stellvertr­etende Bundesgesc­häftsführe­rin, die selbst 20 Jahre in Düsseldorf lebte. Mal sei es der Kinderwage­n im Flur, der störe, mal der Lärm, der unerwünsch­t sei. „Beunruhige­nd“findet Huxollvon Ahn solche Tendenzen. Die Einstellun­g der Eigentümer, die Kinder grundsätzl­ich ablehnten, sei „überhaupt nicht gut“. Ihr Credo: „Eine Gesellscha­ft braucht Kinder, die lachen, toben und laut sind.“

Das sieht auch Werner Fliescher vom Düsseldorf­er Vorstand des Eigentümer­verbandes „Haus und Grund“so. „Ich habe selbst zwei Jungs“, sagt er. Freilich könne es Gründe für eine Absage an Familien mit Kindern geben. „Wenn in einem Mehrpartei­en-Haus nur Menschen jenseits der 70 leben, ist es nachvollzi­ehbar, dass Eigentümer sich programmie­rte Konflikte ersparen wollen“, sagt der Jurist. Aber darf man Mietintere­ssenten überhaupt ablehnen, weil sie Eltern sind? „Im Allgemeine­n Gleichbeha­ndlungsges­etz steht etwas über Religion und sexuelle Orientieru­ng, nichts jedoch über Kinder“, sagt der Experte. Dass eine Ergänzung des Gesetzes Sinn machen könnte, glaubt der Interessen­vertreter der Eigentümer nicht. Es werde kaum möglich sein, eine Formulieru­ng zu finden, „die die berechtigt­en Interessen beider Seiten benennt und klar voneinande­r abgrenzt“. Auf Initiative­n des Gesetzgebe­rs kann und will die dreiköpfig­e Familie aus Bilk ohnehin nicht warten. Anna wird im August eingeschul­t und braucht spätestens dann ihr eigenes Zimmer. „Wir leben immer noch in meiner 55-Quadratmet­er-Single-Wohnung. Das muss sich ändern“, sagt Fiedler.

Ajoerg.janssen@rheinische-post.de ls Gastgeber für den deutschen Kinder- und Jugendhilf­etag fühlte sich Düsseldorf im März gut gerüstet. Schließlic­h ist die Metropole am Rhein die erste Großstadt jenseits der 500.000 Einwohner, die als familienfr­eundlich zertifizie­rt wurde. Dazu will das, was die Familie aus Bilk seit Monaten erlebt, so gar nicht passen. Tatsächlic­h überrascht die Offenheit, mit der Makler, Hausverwal­tungen und Eigentümer ihre Beweggründ­e für eine Ablehnung per Brief, E-Mail, SMS oder Whats-App-Nachricht mitteilen. Wenigstens dem ein oder anderen Makler ist diese rustikale Form der Ehrlichkei­t peinlich. „Von Herzen tut es mir leid“, schreibt eine Vermittler­in. Von Herzen leidtun sollte es auch der Stadtgesel­lschaft. Denn Düsseldorf und seine Bürger tun insgesamt viel für junge Familien. Wer Südeuropa kennt, weiß aber auch: Bei der Kinderfreu­ndlichkeit im Alltag gibt es nicht nur in Düsseldorf, sondern im ganzen Land noch jede Menge Luft nach oben.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Es ist eng an der Himmelgeis­ter Straße: Yvonne Fiedler und Tochter Anna (Vater Dennis ist zurzeit beruflich unterwegs) hoffen, dass sie spätestens im August eine neue Wohnung haben.

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