Rheinische Post Ratingen

Tapfer, treu und meistens tolerant

Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen inszeniert ihren Besuch in Illkirch. Dort machte Franco A., der ein Rechtsterr­orist sein soll, Karriere.

- VON GREGOR MAYNTZ

ILLKIRCH Der Airbus sollte längst in Straßburg gelandet sein. Doch nun dreht er Kurve um Kurve. Vor der Landung will Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) anhand vorliegend­er Fakten klären, was hinter den Schlagzeil­en um den lange in Illkirch nahe Straßburg stationier­ten Oberleutna­nt Franco A. steckt. Und das dauert.

Vor fünf Tagen, als die Festnahme des 28-Jährigen mit der Doppeliden­tität als Bundeswehr­soldat und angebliche­r syrischer Flüchtling das Ministeriu­m aufgeschre­ckt hatte, ergaben erste Anrufe bei seiner Stammeinhe­it in der deutsch-französisc­hen Brigade noch einen untadelige­n Ruf. „Unbescholt­en, sehr fleißig, hochintell­igent“sei der Kamerad, meldeten seine Vorgesetzt­en. Einer, dem eine große Karriere als Berufssold­at offenstand. Gerade machte er eine Einzelkämp­ferausbild­ung im bayerische­n Hammelburg. Sozusagen das Gegenteil von Rassist, völkisch, gar Rechtsterr­orist.

In diese Richtung weisen indes die Ermittlung­en des Bundeskrim­inalamts. Und auch eine Vernehmung durch den Militärisc­hen Abschirmdi­enst, den Geheimdien­st der Bundeswehr, bestätigt den Verdacht, dass dieser Offizier wohl als rechtsextr­emistische­r Einzeltäte­r eingestuft werden muss.

Zu diesem Zeitpunkt ist die Grundlage noch illegaler Waffenbesi­tz. A. gibt vor, nach dem Offiziersb­all in Wien am 20. Januar eine Pistole gefunden und betrunken eingesteck­t zu haben. Vor dem Abflug habe er sie entdeckt und rasch in der Flughafent­oilette versteckt. Warum er dann nicht die Behörden informiert, sondern zwei Wochen später erneut nach Wien fliegt, um sie aus dem Versteck zu holen, wirft mindestens so viele Fragen auf wie sein Leben als „David Benjamin“, der am 19. Dezember 2015 in Offenbach Asyl als syrischer Flüchtling beantragt – und später auch Schutz bekommt. Ab Februar 2016 wohnt er sowohl in einer Flüchtling­sunterkunf­t im Landkreis Erding als auch im französisc­hen Illkirch.

Das lässt sich noch mit großem Fragezeich­en nebeneinan­derlegen. Was aber überhaupt nicht passt, bringt nun die Ministerin in Bedrängnis. Demnach hätten bereits im Januar 2014 alle Alarmlampe­n brennen müssen. Da hatte A. eine Masterarbe­it abgeliefer­t, die von zwei Seiten als rassistisc­h beurteilt wird. Der Chef seiner französisc­hen Division sagt, wäre A. ein Franzose, würde er ihn ablösen. Das Jägerbatai­llon 291 ist zwar der deutsch-französisc­hen Brigade unterstell­t, aber auch im Ausland gilt für deutsche Soldaten der deutsche Befehls- strang. Und da wird die Angelegenh­eit nach oben weitergere­icht, ans Streitkräf­teamt nach Köln. Dessen Kommandeur entscheide­t sich, der Empfehlung seines Rechtsbera­ters zu folgen und dem jungen Mann die Karriere nicht zu verbauen. Er wird ermahnt. Punkt. Keine Meldung an den Militärisc­hen Abschirmdi­enst, nicht mal ein Eintrag in die Personalak­te. Die Karriere nimmt ihren Lauf.

Weil sich an A.s Standort in Illkirch bei einer ersten Untersuchu­ng durch Heeresinsp­ekteur Jörg Vollmer Anfang der Woche Verdächtig­es findet – vom Hakenkreuz im Sturmgeweh­r bis zur Landser-Zeichnung im Aufenthalt­sraum –, macht sich die Ministerin auf den Weg. Im Fernsehen kündigt sie es mit den Worten an, sie gehe nun „beherzt“daran, das „Dunkelfeld auszuleuch­ten“. Das wird immer größer: A. soll Anschläge auf den Zentralrat der Juden und den Zentralrat der Muslime geplant haben, berichtet die „Welt“, auf Politiker wie die Grüne Claudia Roth und Ex-Bundespräs­ident Joachim Gauck. Und er soll Mitwisser gehabt haben, auch in Illkirch.

Und so gibt es die Bilder, die die gewünschte Botschaft bringen. Von der Leyen landet in Straßburg, von der Leyen erreicht die Kaserne, von der Leyen betritt ein Dienstgebä­ude, von der Leyen kommt aus dem Dunkel des Flurs wieder ans Licht und verkündet, sie wolle auch den Soldaten den Rücken stärken. Denn die Kritik an der Bundeswehr und deren „Haltungspr­oblemen“war als Pauschalkr­itik, ja Diffamieru­ng verstanden worden. Nun rudert sie kräftig zurück: Die ganz große Mehrheit der Soldaten arbeite tadellos, daher seien „alle stolz auf sie“.

Keine Bilder gibt es („Der Raum ist zu klein“) mit von der Leyen im großen Aufenthalt­sraum des Jägerbatai­llons 291. Er heißt „Bunker“, weil die Bar als Weltkriegs­bunker dekoriert ist. An den Wänden werden zweifelhaf­te Traditione­n wachgehalt­en. Und das in einem Bataillon, das erst 2010 gegründet wurde. „Umso fragwürdig­er“sei diese Vergangenh­eitspflege, meint die Ministerin. Und so macht sie am Ort des Geschehens klar, dass die Wehrmacht, mit Ausnahme von Widerstand­skämpfern, nicht identitäts­stiftend für die Bundeswehr sein könne.

An einem Seiteneing­ang beschreibt sich das Jägerbatai­llon, in dem der des Rechtsterr­orismus Verdächtig­e zu Hause war, als „tapfer, treu und gewissenha­ft“und auch „tolerant und aufgeschlo­ssen gegenüber anderen Kulturen und moralisch urteilsfäh­ig“. Ein anderer Zettel auf einer anderen Türe spricht eine andere Sprache. „Eintritt verboten. Versiegelt“, steht auf dem Eingang zum „Bunker“.

Mit dem Heeresinsp­ekteur spricht von der Leyen viele Details durch, etwa über A.s Kontaktleu­te, mit denen er chattete und bei denen nun die Staatsanwa­ltschaft zu klären hat, was sie wussten, was sie planten. Und die Fehlleistu­ngen der Vorgesetzt­en? Personelle Konsequenz­en will sie „nicht ein- und nicht ausschließ­en“, derzeit stecke man aber erst „mitten in der Aufklärung“. Mit 100 Generälen will sie heute in Berlin eine Verständig­ung über gemeinsame Werte suchen, dabei auch nach möglichen „Bruchstell­en“in der Disziplina­rordnung fahnden. Die Kanzlerin hat ihr schon Unterstütz­ung zugesicher­t.

Eines ahnt die Ministerin auf dem Kasernenho­f von Illkirch indes: „Es wird noch einiges hochkommen.“

 ?? FOTO: REUTERS ?? Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen, Kommandeur Marc-Ulrich Cropp vom Jägerbatai­llon 291 (M.) und Heeresinsp­ekteur Jörg Vollmer gestern in Illkirch. Ihre Tasche muss die Ministerin nicht selbst tragen – das macht ihr Adjutant.
FOTO: REUTERS Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen, Kommandeur Marc-Ulrich Cropp vom Jägerbatai­llon 291 (M.) und Heeresinsp­ekteur Jörg Vollmer gestern in Illkirch. Ihre Tasche muss die Ministerin nicht selbst tragen – das macht ihr Adjutant.
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FOTO: DPA „Gott und den Soldaten ehret man in Zeiten der Not, und zwar nur dann“, zugeschrie­ben einem deutschen Soldaten 1945: Detail im Aufenthalt­sraum des Jägerbatai­llons in Illkirch.

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