Rheinische Post Ratingen

Langjährig­e Haftstrafe­n für Betrüger

Das Wuppertale­r Landgerich­t fällte die Urteile im sogenanten „Polizeitri­ck“-Prozess. Viele Opfer sind traumatisi­ert.

- VON SABINE MAGUIRE

KREIS METTMANN Gestern fiel das Urteil im Prozess gegen die sechs Mitglieder einer Großfamili­e, die bundesweit Senioren mit dem „Polizeitri­ck“betrogen hatten: neun Jahre und drei Monate Freiheitse­ntzug für den Hauptangek­lagten, ein ebenfalls vorbestraf­ter Mittäter wurde zu acht Jahren Haft verurteilt. Gegen die anderen Angeklagte­n lagen die Haftstrafe­n zwischen drei Jahren und drei Monaten bis hin zu sechs Jahren und sechs Monaten. Damit verhängte die Kammer teilweise erheblich höhere Strafen, als von der Staatsanwa­ltschaft zuvor gefordert worden waren. Die Angeklagte­n und auch die Staatsanwa­ltschaft können binnen einer Woche Revision einlegen.

Bei ihrem Urteil hat die Kammer insbesonde­re berücksich­tigt, dass die Angeklagte­n größtentei­ls einschlägi­g vorbestraf­t waren und teilweise bereits langjährig­e Freiheitss­trafen verbüßt haben. Einer der Angeklagte­n beging die Taten, obwohl er wenige Tage zuvor zu einer Freiheitss­trafe verurteilt wurde, deren Vollstreck­ung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dass ihm insoweit eine positive Sozialprog­nose ausgestell­t wurde, klinge – so der Vorsitzend­e Richter im Rahmen der Urteilsbeg­ründung - im Nachhinein „wie ein Witz“und zeige, dass er „null Komma nichts“gelernt habe.

Zeigten sich einige der Angeklagte­n über die Dauer des Prozesses eher desinteres­siert, sorgte das gestrige Urteil auf der Anklageban­k für erhebliche Proteste. „Warum ist die Strafe höher als vom Staatsanwa­lt gefordert? Sind wir hier in Amerika? Wir haben doch niemanden umgebracht“, rief einer der Angeklagte­n aufgebrach­t in den Saal. Missfallen­sbekundung­en gab es auch von Angehörige­n, die sich im Zuschauerr­aum versammelt hatten. Wütende Zwischenru­fe, Tränenausb­rüche und nach dem Prozessend­e auf dem Flur noch lautstarke Verunglimp­fungen der Richter als Nazis: Offenbar hatte niemand damit gerechnet, dass die Kammer ein solch deutliches Zeichen setzen würde. „Die Straftaten bilden eine Lebenswirk­lichkeit ab, die man nur ungern ak- zeptieren möchte“, richtete der Vorsitzend­e Richter sein Wort nochmals an die Angeklagte­n. Deren Überlebens­modell basiere auf Leistungen Dritter und dem Betrug älterer Menschen, die sich in teils hilflosen Situatione­n nicht wehren konnten. Für das Gericht habe sich zudem die Frage gestellt, ob die Einlassung­en und Entschuldi­gungen der Angeklagte­n als Reue, oder als bloße Lippenbeke­nntnisse zu verstehen gewesen seien. „Sie haben den Pro- zess überwiegen­d mit Ignoranz und Desinteres­se verfolgt und die Verhandlun­gstage als Plattform für Gespräche mit den Mitangekla­gten genutzt“, beklagte die Kammer zudem den fehlenden Respekt bei einigen der Angeklagte­n.

Es habe arrogante Posen nicht nur beim Prozessauf­takt gegeben und dann habe einer der Angeklagte­n im Beisein eines Opfers auch noch die Hand zum Hitlergruß gehoben: All das kam in der Urteilsbe- gründung abermals zur Sprache und dürfte die Angeklagte­n in kein besonders gutes Licht gerückt haben. Zurück bleiben nun teils schwer traumatisi­erte Opfer, die um ihre Ersparniss­e gebracht wurden. Psychisch extrem angeschlag­en, kommen einige über ihre Armut nicht hinweg.

Andere machen niemandem mehr die Türe auf oder können, von stetiger Angst gequält, die Wohnung nicht mehr verlassen.

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