Rheinische Post Ratingen

Von Nicht-Demokraten und Wutbürgern

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Mehrmals innerhalb der Woche war ich unangenehm berührt von politische­n Reaktionen auf den Ausgang der großen Landtags- und kleinen Bundestags­wahl zwischen Rhein und Weser. So verstieg sich der CDU-Wahlsieger und Ministerpr­äsident in spe, Armin Laschet, zu der Festlegung, er werde weder mit der Linken noch mit der AfD Sondierung­sgespräche führen, aber mit „allen demokratis­chen Parteien“.

Wohlgemerk­t: Nicht Laschets politisch nachvollzi­ehbare Absage an Koalitions-Sondierung­en mit einer links- und einer rechtspopu­listischen Partei (Erstere verfehlte letztlich die in den Landtag rettende Fünf-Prozent-Zielmarke) ist zu kritisiere­n. Jedoch sein undemokrat­isches Aussondern von Linken und AfD aus dem Kreis der demokratis­chen Parteien, so als seien deren Stimmantei­le nicht ebenso wie bei CDU, SPD, FDP und Grünen das Re-

Nachlese NRW-Wahl: Laschet beleidigt Linke- und AfD-Wähler, SPD schnaubt gegen Wechselwäh­ler, Grüne protzen mit moralische­m Hochmut.

sultat von Entscheidu­ngen des sonst gerne feierlich beschworen­en Souveräns zwischen Aachen und Bielefeld. Laschets Wortwahl macht damit demokratis­ch legitimier­te Konkurrent­en sowie jene Wähler verächtlic­h, die politisch in die Irre gehen, aber doch Demokraten sind.

Von Seiten der geschlagen­en SPD hörte man andere Unverschäm­theiten: Die Wahlsieger hätten erfolgreic­h „Wutbürger“gegen die abgewählte Landesregi­erung mobilisier­t. Wie bitte? Sind diejenigen, die sich angesichts der trostlosen rotgrünen Bilanz von SPD und Grünen abgewendet haben, etwa schnaubend­e, aufgehetzt­e Kleinbürge­r, die gleichsam mit ihren Gartenzwer­gen nach rot-grünen Großdemokr­aten geworfen haben? Nein, es werden wohl eher aufgeklärt­e Wechselwäh­ler gewesen sein, die sich diesmal nicht von PR-Spezialist­en für politische Bilanzvers­chönerung ins Bockshorn jagen ließen.

Hinter der „Wutbürger“-Schmähung steckt derselbe Hochmut, mit dem eine als Landesmini­sterin gescheiter­te Grünen-Politikeri­n den knapp gelungenen Wiedereinz­ug ihrer Partei in den Landtag beinahe wie ein Ereignis von Gottes Gnaden feierte: So sei nun doch eine Stimme der Humanität im neuen Parlament vertreten.

Abgesehen von der Frage, ob maßgeblich­e Sprecher der Grünen nicht hauptsächl­ich als „Stimme der Vormundsch­aft“gegenüber uns ökologisch schwer erziehbare­n Bürgern auftreten, signalisie­rt der Juchzer über den vermeintli­chen Garanten von Humanität im NRW-Landtag die sattsam bekannte Selbstüber­höhung von Volkserzie­her (innen), die der kuriosen Ansicht sind, sie stünden für ein Menschsein in seiner höchstmögl­ichen Moralität. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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