Rheinische Post Ratingen

„Zehn Mädchen in der Klasse weinten“

War die Englisch-Prüfung der Zehntkläss­ler an Real- und Gesamtschu­len zu schwer? 33.000 Unterzeich­ner einer OnlinePeti­tion meinen das. Schüler beklagen unverständ­liche Aufgaben und Zeitmangel – und hadern mit Prinz Harry.

- VON MARLEN KESS UND FRANK VOLLMER

DÜSSELDORF Binnen 24 Stunden fast 33.000 Unterstütz­er zu sammeln – das will schon was heißen. Dario Schramm (16) aus Bergisch Gladbach ist genau das gelungen, mit einer Online-Petition. Und mit einem Thema, das traditione­ll in kürzester Zeit die Gemüter in Wallung bringt: Schule. Genauer: Prüfungen. Dieses Mal geht es um die zentralen Prüfungen der zehnten Klassen in Englisch. Dario Schramm will, dass die Arbeit wiederholt wird.

Gut 100.000 Schüler an Haupt-, Sekundar-, Real- und Gesamtschu­len mussten am Donnerstag antreten. Thema war dieses Jahr Südafrika. Geprüft wurden das Verständni­s gesprochen­er und geschriebe­ner Texte, Wortschatz und die Fähigkeit, selbst Texte zu schreiben. Nennenswer­te Probleme gab es dabei offenbar nur in der Arbeit, die in den BKlassen der Hauptschul­en, an den Realschule­n und in den Erweiterun­gskursen der Sekundar- und Gesamtschu­len geschriebe­n wurde.

Unverständ­liche Aufgaben, komplexe Themen, Zeitmangel – das ist als Kritik zu hören. Lehrer und Schüler berichten zudem übereinsti­mmend von zwei konkreten Knackpunkt­en: den Aufgaben zum Hörversteh­en und der Schreibauf­gabe. Vorgespiel­t wurden ein Podcast der Sängerin Miriam Makeba („Mama Africa“) und eine Rede von Prinz Harry. „Das erste war kaum zu verstehen, weil die Frau afrikanisc­hen Slang hatte und Trommelmus­ik zu hören war. Prinz Harry spricht außerdem sehr undeutlich“, kritisiert Schramm, der eine Gesamtschu­le besucht. „Die Schüler waren schockiert, besonders vom Hörversteh­ensteil“, sagt Bernd Hinke, Leiter der Anne-Frank-Real- schule in Düsseldorf: „Sie haben wenig verstanden, obwohl sie viel geübt haben.“

Etwas anders liegen die Vorwürfe bei der Aufgabe, einen Text zum Rassismus in Südafrika zu untersuche­n: Zwar beklagen auch hier Schüler, der Text sei schwer verständli­ch. Die geforderte Analyse der Sprache setze aber zudem Oberstufen-Wissen voraus, kritisiert zum Beispiel eine Lehrerin. „Am Ende saßen zehn weinende Mädchen in der Klasse“, resümiert eine Schülerin.

„Ich stehe glatt Eins in Englisch, und ich war überforder­t“, berichtet Laura Lenzen (16) von der Realschule Holzheim in Neuss: „Dabei wurden wir gut vorbereite­t, auch mit den Prüfungen der vergangene­n Jahre. Die waren alle deutlich einfacher als unsere.“Für Schulleite­r Hinke ist die Sache klar: „Die Prüfung war zu schwer.“Da seien sich die Kollegen ei

nig: „Bei uns haben die Prüfung etwa 90 Schüler geschriebe­n, keiner fand es einfach. Die Schüler waren teilweise außer sich, es gab Tränen und große Enttäuschu­ng.“Sein Kollege Wolfgang Spangenber­ger von der Realschule Holzheim spricht von einer „unerwartet schweren“Prüfung. Er habe die Englisch-Kollegen gebeten, die Probleme zusammenzu­fassen, und werde den Bericht kommende Woche an die Bezirksreg­ierung weiterleit­en – das ist die Schul

aufsicht für die Realschule­n.

Spangenber­ger sagt, er sehe „zwei Möglichkei­ten: Entweder wird die Prüfung wiederholt, oder die Bewertungs­kriterien werden herunterge­setzt.“Sein Kollege Hinke unterstütz­t die Petition für eine Wiederholu­ng der Prüfung. Genau in diesem Punkt sind die Lehrerverb­ände uneins: Der Verband Lehrer NRW, der vor allem die Realschule­n vertritt, hält eine Neuauflage für unabdingba­r, „sofern sich die Mängel in den Aufgaben bei der jetzt laufenden Überprüfun­g durch das Ministeriu­m bestätigen“. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht das anders: Eine Klausur nachzuschr­eiben „bedeutet doppelten Stress“, sagt VBE-Chef Udo Beckmann. Er plädiert für Pragmatism­us: „Sollten die Prüfungen tatsächlic­h so schlecht ausfallen, wie offenbar befürchtet wird, raten wir dazu, das Bewertungs­raster neu aufzustell­en, um ein angemessen­es und faires

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FOTOS: DPA, KREBS | MONTAGE: RP Ein Video der verwendete­n Rede steht unter www.rp-online.de/ englischpr­uefung In der zentralen Prüfung Englisch ging es um Prinz Harrys Engagement in Südafrika.
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