Rheinische Post Ratingen

Im Zweifel für Ruhani

Die Iraner sind nicht zufrieden mit ihrem Präsidente­n. Aber dem erzkonserv­ativen Gegenkandi­daten trauen sie bei der Wahl auch nicht.

- VON FARSHID MOTAHARI

TEHERAN (dpa) In der Hauptstadt Teheran sind sich fast alle Wähler einig, dass sie mit Präsident Hassan Ruhani nicht so ganz zufrieden sein können. Besonders wirtschaft­lich hätte es besser laufen können, schließlic­h sei der Iran immer noch ein ölreiches Land. Aber die Öffnung zum Westen, die Ruhani mit dem Atomabkomm­en erreicht hat, finden die meisten gut. Daher doch lieber Ruhani als Ebrahim Raeissi, den Spitzenkan­didaten des erzkonserv­ativen Klerus.

„Mit dem Anderen (Raeissi) könnte es wieder so werden wie zu Zeiten von (Ex-Präsident Mahmud) Ahmadineds­chad“, sagt die 47-jährige Atefeh aus Teheran. So was will sie auf keinen Fall wieder. Damals war es wirtschaft­lich noch schlimmer, außerdem drohte ein militärisc­her Konflikt wegen des Atomstreit­s. „Zumindest haben wir seit Ruhani nicht mehr diese blödsinnig­en Streiterei­en mit der Außenwelt und auch nicht mehr die Angst vor einem Krieg“, sagt ihr Mann Bidschan. Daher wählen beide Ruhani, weil er zumindest besser sei „als der Andere“.

Auch für andere Wähler scheint Ruhani zwar nicht ideal, die Alternativ­e aber schlimmer zu sein. „Es geht hier nicht um Ruhani selbst“, sagt der Filmemache­r Mohsen Amir-Jussefi stellvertr­etend für viele Iraner. Aber nur er könne schaffen, dass es nicht so wird wie zu Ahmadineds­chads Zeiten (2005-2013). Beobachter sehen in Raeissi zwar keinen zweiten Ahmadineds­chad, viele Iraner aber schon. Beim zentralen Thema Wirtschaft hat Ruhani jedoch schlechte Karten. Ihm wird vorgeworfe­n, seine wirtschaft­lichen Verspreche­n nicht eingehalte­n zu haben, besonders bei der Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit. Raeissi verspricht neue Arbeitsplä­tze.

Auch gesellscha­ftliche Freiheiten sind für die Wähler wichtig, besonders für die Jugendlich­en. Da spricht vieles für Ruhani. Jungen und Mädchen können wieder Dates verein- baren, ohne Angst vor der islamische­n Sitten- und Moralpoliz­ei haben zu müssen. „Seit Ruhani gehe ich mit Freunden in einen Coffeeshop, ohne Furcht“, sagt die 23-jährige Studentin Sahar. Das war vor Ruhani anders. Zweimal wurde sie schon deshalb kurzfristi­g festgenomm­en und auf die Wache gebracht. Das könnte ihrer Meinung nach mit Raeissi wieder passieren. Daher wählt sie Ruhani – „um in Ruhe auch mal ein bisschen flirten zu können“.

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FOTO: IMAGO Unterstütz­er Ruhanis während einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng.

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