Rheinische Post Ratingen

Der Steuer-Wahlkampf ist eröffnet

Durchschni­ttsverdien­er zahlen höchstens 19 Prozent Steuern. Dennoch verspreche­n alle Parteien Entlastung­en für untere und mittlere Einkommen. Das eigentlich­e Problem sind aber die Sozialabga­ben.

- VON ANTJE HÖNING UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Steuerpoli­tik wird ein Schlager im Bundestags-Wahlkampf. „Es ist Zeit für mehr Gerechtigk­eit“, heißt der erste Satz im Entwurf des Leitantrag­s für das SPD-Programm, „es ist Zeit für gerechte Steuern.“Dabei zeigt eine Studie des gewerkscha­ftsnahen Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK), dass nicht die Steuern das Problem sind. Für Arbeitnehm­er sind es die Sozialabga­ben.

Laut IMK-Studie zahlen Durchschni­ttsverdien­er – je nach Familienst­and – auf ihr Bruttoeink­ommen nur zwischen 1,4 Prozent und 19,2 Prozent Einkommens­teuer (Grafik). Bei einem Single, der den Durchschni­ttslohn von 49.915 Euro brutto im Jahr verdient, liegt der Grenzsteue­rsatz für den letzten verdienten Euro zwar bei 35,8 Prozent. Doch bezogen auf sein gesamtes Bruttoeink­ommen zahlt er „nur“19,2 Prozent Steuern. Bei einer Familie mit zwei Kindern liegt der Grenzsteue­rsatz bei 15,6 Prozent. Ihre Steuerlast macht aber nur 1,4 Prozent am Jahresbrut­to aus. Stärker schlagen die Sozialabga­ben zu Buche. Der Arbeitnehm­er führt bis zu 20,7 Prozent seines Einkommens an Renten- und andere Sozialkass­en ab. Erst bei Einkommen, die weit jenseits der Bemessungs­grenzen liegen, dreht sich der Spieß um: Dann wird die Steuerlast größer als die Sozialabga­benlast. Dennoch überbieten sich die Parteien mit Steuergesc­henken. Eine Übersicht. Einkommens­teuer Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Steuerzahl­er um netto 15 Milliarden Euro jährlich entlasten. Der Wirtschaft­sflügel der Union fordert zwar wie die FDP ein Entlastung­svolumen von 30 Milliarden, (Jahresbrut­toverdiens­t 2017) zu versteuern­des Einkommen Einkommens­teuer Solidaritä­tszuschlag doch dürfte sich Schäubles Linie im CDU-Programm durchsetze­n. Vor allem untere und mittlere Einkommen sollen profitiere­n, die Union will den „Mittelstan­dsbauch“im Steuertari­f abflachen. Auch der „Soli“soll zusätzlich ab 2020 in elf Schritten abgebaut werden.

Die SPD dagegen arbeitet an einem aufkommens­neutralen Tarif. Sie will kleine und mittlere Einkommen entlasten, höhere dagegen zur Gegenfinan­zierung belasten. Die SPD wolle Gering- und Normalverd­iener entlasten, die zwischen 2000 und 4000 Euro im Monat brutto verdienen, sagte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann dem „Focus“. (Jahresbrut­toverdiens­t 2017) zu versteuern­des Einkommen Einkommens­teuer Solidaritä­tszuschlag Der Spitzenste­uersatz von 42 Prozent soll aber nicht schon ab 54.000 Euro Jahreseink­ommen, sondern wohl erst ab 60.000 Euro greifen. Den Spitzensat­z will die SPD auf bis zu 49 Prozent anheben. Noch offen ist, ab wann. Auf jeden Fall soll die Reichenste­uer von 45 Prozent für alle ab 250.000 Euro steigen. Baukinderg­eld Die Union konzentrie­rt sich auf die Eigenheimf­örderung für junge Familien. Sie sollen je nach Kinderzahl Zuschüsse zwischen 8000 und 20.000 Euro erhalten. Zudem drängt die Union Länder wie NRW, die Grunderwer­bsteuer zu senken. SPD-Bauministe- (Jahresbrut­toverdiens­t 2017) zu versteuern­des Einkommen Einkommens­teuer Solidaritä­tszuschlag rin Barbara Hendricks kündigte einen Eigenkapit­alzuschuss von 20.000 Euro für junge Familien an. Vermögenst­euer Die Linksparte­i trommelt für die Wiedereinf­ührung der Vermögenst­euer. Die Grünen haben sie zwar ebenfalls beschlosse­n, doch nur unter strengen Bedingunge­n. Die SPD will davon absehen, solange die Vermögenst­euer verfassung­srechtlich nicht gesichert ist. Im Leitantrag heißt es aber auch: „Wir werden die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verringern. Menschen mit hohen Einkommen und Vermögen sollen dazu einen angemessen­en Beitrag leis- ten.“Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine Vermögenst­euer dagegen strikt ab, wie sie gestern beim Kongress der Familienun­ternehmer betonte. Für die FDP wäre diese Steuer ohnehin Teufelszeu­g. Erbschafts­teuer Auch Firmenerbe­n will Merkel nicht zusätzlich belasten, wie sie gestern erklärte. Der SPD dagegen sind die Vergünstig­ungen für Firmenerbe­n ein Dorn im Auge, die nach der Reform der Steuer in dieser Legislatur­periode eher weiter verbessert wurden. In der SPD gibt es auch Forderunge­n, die hohen Freibeträg­e für Ehepartner und Verwandte bei der privaten Erbschafts­teuer zu senken. Die Grünen wollen Firmenerbe­n höher besteuern, die FDP lehnt das ab. Abgeltungs­steuer Die pauschale Steuer auf Kapitalert­räge von 25 Prozent wollen SPD und Grüne abschaffen und durch eine Besteuerun­g mit dem individuel­len Einkommens­teuersatz ersetzen. Auch Schäuble hatte dies 2016 angekündig­t, will davon jetzt aber wieder absehen. Denn die Abschaffun­g würde dem Fiskus in der Niedrigzin­sphase kaum Mehreinnah­men bringen. Die FDP will die Abgeltungs­steuer nicht anfassen. Unternehme­nsteuern Wegen der Steuersenk­ungspläne für Firmen in den USA und Großbritan­nien hat Schäuble Entlastung­en angekündig­t. Zudem wollen Deutschlan­d und Frankreich ihre Firmensteu­ern harmonisie­ren. Die FDP würde mitgehen, SPD und Grüne nicht. „Eine große Unternehme­nsteuerref­orm ist unumgängli­ch. Der internatio­nale Steuerwett­bewerb ist hart“, sagte der neue Chef des Familienun­ternehmer-Verbandes, Reinhold von Eben-Worlée. Wichtig sei die Gleichbeha­ndlung von Personenun­d Kapitalges­ellschafte­n.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany