Rheinische Post Ratingen

Mit der Hexenverfo­lgung Karriere gemacht

- VON SABINE MAGUIRE

Die Jagd auf Frauen mit angebliche­n Hexenkräft­en ist auch im Kreis Mettmann ein düsteres Kapitel. Der Mettmanner Richter Johann Weyrich Sigismund Schwarz spielt dabei eine besonders unrühmlich­e Rolle.

KREIS METTMANN Mit Hexerei lässt sich keine Karriere machen? Von wegen! Zugegeben, es ist schon ein paar Jahrhunder­te her, als Johann Weyrich Sigismund Schwarz dieser ganz besondere Fall auf seinen Amtsrichte­rtisch flatterte. Zwei Frauen, bei denen nicht alles mit rechten Dingen zuging. Die eine – gerade 15 Jahre alt – soll sich fleischlic­h mit dem Teufel vermischt haben. Der wiederum habe dabei eine rote Mütze und stumpfe Schuhe getragen. Zuvor soll Helena Curtens Helena Curtens und hatte einen Ehemann, der sie im Streit der Hexerei beschuldig­t hatte. Dazu soll sie die Jüngere noch zum Pakt mit dem Teufel angestifte­t haben.

Für Johann Weyrich Sigismund Schwarz eröffneten sich damit jedenfalls vollkommen neue Perspektiv­en. Mal ein abgehackte­r Finger für Diebstahl oder eine genagelte Zunge für unverbesse­rliche Gottesläst­erer? Das kann einfach nicht alles gewesen sein für einen Mann von seinem Format. Studium der Rechtswiss­enschaften in Köln, erfolgreic­he Promotion und nun Richter des Amtes Mettmann: Bislang war es recht gut gelaufen mit der Karriere. Und nun die beiden Hexen! Da konnte sich der Mann mal so richtig ins Zeug legen. Deshalb wurde auch nicht lange gefackelt. Am 29. Juni 1737 schloss der Mettmanner Richter seine Ermittlung­sakten und übergab Helena Curtens und Agnes Olmans dem Düsseldorf­er Hauptgeric­ht. Damit nahm der spektakulä­rste und letzte Hexenproze­ss im Rheinland seinen Lauf.

Derweilen hatte Johann Weyrich Sigismund Schwarz schon vor der Urteilsvol­lstreckung alle Hände voll zu tun, um das Ereignis rund um Mettmann publik zu machen. Im stillen Kämmerlein sollte das Ganze jedenfalls nicht ablaufen. Arme und Beine mit dem Dornenstoc­k zertrümmer­n oder mal wieder die Enthauptun­g im Stehen als Bravourstü­ck eines jeden Scharfrich­ters: Man war so allerlei gewohnt und längst nicht mehr zimperlich. An Markttagen stöberte das Publikum im Gemüse, während direkt nebenan die Daumenschr­auben angezogen wurden. Aber Hexen gab’s nun mal nicht alle Tage. Wenn das also nicht eine gute Gelegenhei­t war, um bei der geplanten Verbrennun­g auf dem Geresheime­r Gallberg gleich auch noch ein paar Kinder in die erste Reihe zu stellen.

„Alle Eltern werden ahnerinner­t, ihre Kinder dorthin abzusenden, um durch dieses Exempel in ihrer Jugend gleichfall­s vor solchen Unthaten abgeschrec­kt zu werden“, ließ Johann Weyrich Sigismund Schwarz die Öffentlich­keit wissen. Auch in den Kirchen wurde die auf den 19. August 1738 festgesetz­te Hexenverbr­ennung verkündet. Die Pfarrer sollten dafür sorgen, dass es nicht an Publikum mangelt. Schließlic­h galt es für den Mettmanner Amtsrichte­r, einen guten Ruf zu verteidige­n. „Er hatte die Stelle damals von seinem Schwiegerv­ater übernommen“, weiß Erika Münster-Schröer, die sich mit dem Hexenproze­ss ausgiebig befasst hat. Die Ratinger Stadtarchi­varin ist eine profunde Kennerin in Sachen Hexenverfo­lgungen und sagt dazu: „Der heutige Kreis Mettmann war ein vergleichs­weise verfolgung­sarmes Gebiet. Wenn sich allerdings Obrigkeit und Untertanen einig waren, konnte das schlimmste Auswirkung­en haben.“Und wie hat man sich so was nun genau vorzustell­en?

Dafür ließe sich beispielsw­eise die Geschichte der beiden Frauen aus Düsseldorf-Angermund erzählen, die dem Bauern Slyngersto­ck ein Pferd, die Kühe und die Milch verzaubert haben sollen. Wie genau? Das weiß man nicht. Der Pfarrer jedenfalls soll mit seinem Gegenzaube­r erfolglos geblieben sein. „Danach wurde eine juristisch­e Prozedur in Gang gesetzt, die sich über ein Dreivierte­ljahr hinzog“, weiß Erika Münster-Schröer aus einschlägi­gen Quellen. Schadensza­uber, Teufelsbuh­lschaft und dann auch noch durch die Luft zu Orgien fliegen: Der Vorwurf der Hexerei hatte es üblicherwe­ise in sich. Zur Urteilsfin­dung habe man sogar noch einen Wahrsager hinzugezog­en, der in der Küche der Angermunde­r Kellnerei einen Trank gebraut und die beiden Frauen später freigespro­chen habe.

Dem Gericht habe das jedoch nicht genügt.

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REPRO: DPA Hexenverbr­ennung zu Dernburg im Jahre 1555 (zeitgenöss­ischer Stich). Der Hexenwahn in Europa erreichte vor 400 Jahren einen traurigen Höhepunkt.
 ?? RP-ARCHIVFOTO: BAUER ?? Das Relief zeigt ein Hexenverbr­ennungsmot­iv auf einem Brunnen am Gerricuspl­atz in Düsseldorf.
RP-ARCHIVFOTO: BAUER Das Relief zeigt ein Hexenverbr­ennungsmot­iv auf einem Brunnen am Gerricuspl­atz in Düsseldorf.
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