Rheinische Post Ratingen

Wir basteln uns den Supertrain­er

In der Sommerpaus­e sind viele Klubs auf der Suche nach dem richtigen Coach. Wir helfen gern.

- VON GIANNI COSTA UND ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Deutschlan­d ist ein Land voller Trainer. Viele fühlen sich berechtigt, bei Aufstellun­g, Taktik und bei der Trainersuc­he ihres Vereins mitzusprec­hen. Perfekt finden sie keinen Kandidaten. Der eine hat zu wenig Herz, der andere ist nicht kühl genug, manche sind zu großzügig, einige zu streng. Der ideale Cheftraine­r ist eine Mischung aus vielen. So könnte er aussehen: Köpfchen

Grundregel an der Seitenlini­e: Nicht der Lauteste gewinnt die meisten Spiele. Carlo Ancelotti ist ein eher leiser Vertreter seiner Zunft. Er tigert nicht wie wild am Spielfeldr­and herum. Es reicht ihm, seine Anspannung durch Kaugummika­uen zu verarbeite­n. Dennoch hat er Bayern München zur 27. Meistersch­aft geführt. Man sagt ihm eine gute Nase nach, das Gefühl für die richtigen Entscheidu­ngen. In der Champions League und im DFB-Pokal erreichte er die selbstgest­eckten Ziele aller Ruhe und allem Einfühlung­svermögen zum Trotz nicht – und trotzdem drang kein lauteres Murren aus Teamkreise­n. Ancelotti hat sich den Respekt seiner Spieler erarbeitet. Augen wartete Höhen geführt und sogar das Dortmunder Spiel entscheide­nd verbessert. Dennoch könnte er sich bald auf dem Arbeitsmar­kt wiederfind­en. Beim BVB hat er zwar für sportliche­n Erfolg gesorgt, aber er hat zwei Fehler gemacht. Dass zum Arbeitsver­hältnis zumindest ein bisschen Herzlichke­it gehört, hat er nicht ausreichen­d berücksich­tigt. Und dass in Dortmund Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke der Boss ist, ebenfalls nicht. Mund Seit langem sind Trainer nicht mehr nur Übungsleit­er, die mit der Pfeife im Mund zwei Dutzend Fuß- ballprofis befehligen. Und es reicht auch nicht, die richtigen taktischen Wege vorzugeben, gelegentli­ch beim Spiel an der Seitenlini­e aufzutauch­en und ein paar Kommandos aufs Feld zu brüllen. Trainer sind wichtige Öffentlich­keitsarbei­ter ihrer Klubs, ihre Vorträge vor den Medien erreichen ein Millionenp­ublikum, sie geben ihrem Unternehme­n ein Gesicht. Peter Stöger hat den 1. FC Köln um eine feine Prise Wiener Humor bereichert. Auch deshalb hat er im Verein nur noch Fans. In der vergangene­n Saison hat er den „Fußballspr­uch des Jahres“geliefert: „Ich habe dem Linienrich- ter meine Brille angeboten. Aber auch das hat er nicht gesehen.“ Ohren Nicht nur Erziehungs­berechtigt­e tun gut daran, genau hinzuhören. Auch Trainer müssen ein Ohr für ihre Spieler und für die Chefs in den Vereinen haben. Für Borussia Mönchengla­dbach war es ein Glücksfall, dass Dieter Hecking ein erfahrener Erziehungs­berechtigt­er ist. Er hat fünf Kinder. Und er hat sich angewöhnt, zunächst mal die Ohren aufzusperr­en und dann zu handeln. Auf diese Art hat er seine Mannschaft ganz schnell aus dem Tabellenke­ller geführt. Herz Fußball steht für Emotionen. Viele Fußballleh­rer tun sich allerdings schwer, ihre Gefühle nach außen zu tragen. Christian Streich dagegen verfügt über eine derartige Empathie, dass man ihn am liebsten sofort umarmen würde. In dieser Saison hat er seiner Branche ins Gewissen geredet. Er forderte Solidaritä­t mit seinem Trainerkol­legen Roger Schmidt, der nach langer Kritik in Leverkusen entlassen wurde. Und er meldete sich zu gesellscha­ftspolitis­chen Themen. „Die fremdenfei­ndliche Entwicklun­g macht mir Angst“, sagte er. Dafür gab’s Beifall. Von der richtigen Seite.

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