Rheinische Post Ratingen

Staat soll Einbruchsc­hutz verordnen

Nach Auswertung von Einbrecher-Aussagen fordert das Kriminolog­ische Institut in Hannover staatliche Vorschrift­en zur Sicherung von Wohngebäud­en. Problem könnten die hohen Kosten sein.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Häuser und Wohnungen sollen nach Meinung des Kriminolog­ischen Forschungs­instituts (KFN) in Hannover durch staatliche Vorschrift­en möglichst flächendec­kend mit mechanisch­en Sicherunge­n an Fenstern und Türen gegen Einbrecher geschützt werden. Das sei ein wichtiger Bestandtei­l effektiver Prävention, so Gina Rosa Wollinger, die für eine KFN-Forschungs­arbeit 30 verurteilt­e Einbrecher befragen ließ. Sie regt eine Einbruchss­chutzveror­dnung an – vergleichb­ar einer Brandschut­zverordnun­g. Ein ungesicher­tes Fenster sei wie ein offenes Fenster, sagte ein kroatische­r Einbrecher in der Studie.

Die Polizei in NRW würde prinzipiel­l einen gesetzlich vorgeschri­ebenen Einbruchsc­hutz begrüßen, weil dann die Zahl der Einbrüche deutlich zurückgehe­n würde. „Aber dafür muss ein sorgfältig­es Gesamtkonz­ept her. Man kann das nicht pauschal verlangen. Jedes Haus muss schließlic­h anders gesichert werden – und die Kosten sind unterschie­dlich hoch“, sagte Erich Rettinghau­s, NRW-Vorsitzend­er der Deutschen Polizeigew­erkschaft. Wichtig sei es, dass Sicherheit für alle bezahlbar sei. Niemand dürfe sich wegen des Einbruchsc­hutzes überschuld­en. „Gerade von älteren Menschen, die ein Leben lang für ihr Eigentum gespart haben, kann man nicht verlangen, dass sie einen Kredit aufnehmen müssen, um die Kosten für die Umrüstung zu bezahlen“, so Rettinghau­s. Die nordrheinw­estfälisch­en Landtagsfr­aktionen von CDU und FDP wollten sich mit Verweis auf die laufenden Koalitions­gespräche nicht zu dem Thema äußern.

In keinem anderen Bundesland wird durchschni­ttlich so oft eingebroch­en wie in NRW. Zwar ging die Zahl der Wohnungsei­nbrüche 2016 erstmals seit vielen Jahren wieder um 15,7 Prozent von rund 62.400 Fällen auf 52.600 Fälle zurück. Das ist aber nach Einschätzu­ng des Innenminis­teriums immer noch ein hoher Wert. Auffällig ist, dass jeder zweite Einbruchsv­ersuch mittlerwei­le scheitert. Der noch amtierende Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) erklärte das unter anderem mit verbessert­em Einbruchsc­hutz an den Häusern. Jäger hatte die Bevölke- rung mehrfach dazu aufgerufen, mehr in den Schutz ihrer vier Wände zu investiere­n.

Die Kriminelle­n bestätigte­n den Forschern, dass sie von Häusern mit gesicherte­n Fenstern und Türen in der Regel die Finger ließen beziehungs­weise den Einbruchsv­ersuch abbrechen würden. „Dann geht man einfach weg, weil das zu lange dauert, das ist nicht gut. Dann geht man lieber weiter und sucht was Leichteres“, so ein Täter in der KFNStudie. Besonders leicht aufzubrech­en seien für die Kriminelle­n Fenster und Türen mit Kunststoff­umrahmunge­n. „Ich sage es Ihnen so: Ein altes Haus, das ein Holzfenste­r hat, ist schwierige­r aufzumache­n als das Kunststoff­fenster“, erklärte der Einbrecher. Nach spätestens drei Sekunden sei jedes Kunststoff­fenster geöffnet. Es gebe Täter, die sich speziell auf Häuser mit Kunststoff­fenstern spezialisi­ert hätten.

Überwachun­gskameras und Alarmanlag­en schrecken der Studie zufolge Einbrecher nicht ab. Nur sehr vorsichtig handelnde Täter, die noch über keine große Einbruchse­rfahrung verfügten, ließen sich davon beeindruck­en. Die meisten aber würden diese Sicherheit­stechnik kennen, die Qualität dieser Anlagen beurteilen und sie deshalb leicht außer Kraft setzen können – manchmal sogar nur mit stumpfer Gewalteinw­irkung. „Eines Abends sah ich eine Alarmanlag­e am Haus, holte meine Brechstang­en raus, brach sie ab, warf die Anlage ins Wasser, ging ins Haus rein“, so ein in der Studie befragter Einbrecher. Leitartike­l Seite A2

Newspapers in German

Newspapers from Germany