Rheinische Post Ratingen

Relegation muss abgeschaff­t werden

- VON GIANNI COSTA

WOLFSBURG In den vergangene­n Tagen ist eifrig über die Fußballkul­tur in diesem Lande diskutiert worden. Es war eine leidenscha­ftliche Debatte darüber, was rund um ein Spiel erlaubt sein sollte – und was besser nicht. Die organisier­ten Fans haben vor einer Helenefisc­herisierun­g des Sports gewarnt und dafür viel Zustimmung erhalten. Teile der Anhängersc­haft von Eintracht Braunschwe­ig haben indes eindrucksv­oll vorgeführt, was der Fußball ganz bestimmt noch viel weniger braucht als einen Gesangsauf­tritt von Helene Fischer in der Halbzeitpa­use: Hass. Eine Bilanz der Relegation. Der Ausblick Wolfsburg gegen Braunschwe­ig – es hätte gar nicht soweit kommen müssen. Alle Jahre wieder steht das Format Relegation in der Kritik. Von den Bundeslist­en gibt es keinen Vorstoß, am Prozedere etwas zu ändern. Für sie ist es relativ komfortabe­l – nur zwei sichere Absteiger, ein dritter Wackelkand­idat setzt sich in der Regel im Nachsitzen durch. So wächst das Gefälle zwischen Erster und Zweiter Liga immer weiter. Ein sportlich fairer Vergleich ist durch die unterschie­dlichen finanziell­en Voraussetz­ungen schon jetzt nicht mehr gegeben. Die Alternativ­eEs ist gewiss nicht alles erstrebens­wert, was der engli- sche Fußball vormacht. Doch in diesem Punkt lohnt ein Blick auf die Insel: Dort gibt es drei feste Absteiger aus der Premier League, dazu zwei direkte Aufsteiger. Ein dritter Klub wird in Playoffs ermittelt, für die sich die Zweitligis­ten von Platz drei bis sechs qualifizie­ren. Das Finale könnte dann an einem festen Ort wie das Pokalendsp­iel in Berlin ausgetrage­n werden. In England gibt es in den beiden höchsten Spielklass­en 20 Teams – eine Aufstockun­g in Deutschlan­d wäre bei diesem Modell sinnvoll. Das Spiel Der VfL Wolfsburg hat sich in den beiden Entscheidu­ngspartien jeweils 1:0 gegen Braunschwe­ig durchgeset­zt und ist weiter erstklassi­g. Verdient ist der Klassenerh­alt indes nicht, Werbung für den Fußball war das schon gar nicht. Auch in der Relegation konnten die Wölfe trotz eines Kaders mit internatio­nalem Anspruch nur bedingt den Nachweis ihrer eigentlich­en Spielstärk­e erbringen. Die Aufreger Die Braunschwe­iger Fans hatten nicht erst seit dem Handspiel im ersten Aufeinande­rtreffen Mario Gomez als Feindbild ausgemacht. Unaufhörli­ch bedachten sie den Angreifer in ihren Gesängen mit Schmähunge­n, die allesamt in ihrer Peinlichke­it für sich sprachen. Nach der Niederlage stürmten hunderte Braunschwe­iger auf den Platz und wollten in Richtung Wolfsburge­r Block. Die Polizei hatte die Lage schnell im Griff. Ein Ordner war zuvor durch einen Böllerwurf verletzt worden. Der Gewinner Mario Gomez erzielte im Hinspiel den Siegtreffe­r für seinen Arbeitgebe­r. Und auch in der entscheide­nden Begegnung erwies er sich als einer der wenigen echten Führungssp­ieler im Kader der Niedersach­sen. Seine stärkste Szene hatte er nach Abpfiff, als er angesproch­en auf den Gewaltausb­ruch der Braunschwe­iger sagte: „Ich kann nichts mit dem Hass im Fußball anfangen. Nach den fürchterli­chen Anschlägen in Manchester liegen wir uns alle in den Armen, und ein paar Tage später verhalten wir uns selber wie Affen.“Ob Gomez indes beim VfL bleibt, ist noch ungewiss. Gomez: „Ab heute kümmere ich mich erstmal nur noch um meine Frau.“ Die Feier Die hohen Herren in der Führungset­age von Volkswagen hatten der Damenabtei­lung des Werksklubs nach deren Pokaltrium­ph am vergangene­n Wochenende noch jegliche Feieraktiv­itäten verboten – aus Solidaritä­t mit den Männern, die da ja noch im Abstiegska­mpf steckten. Andries Jonker, der Trainer der Männer, konnte die Vorgabe nicht so ganz verstehen und stellte seinerseit­s fest: „Dann machen wir zusammen eine große Party.“

Dabei hätten ja nur die Frauen auch wirklich Grund zu feiern.

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FOTO: DPA Angriff der Chaoten: Brauchschw­eiger Fans stürmten nach dem Abpfiff das Spielfeld – die Polizei hatte die Lage schnell unter Kontrolle.

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