Rheinische Post Ratingen

Kinder an die Macht

Bei der Tischtenni­s-WM gibt es keine Alterbesch­ränkung. Und so spielen ein Neun- und ein 13-Jähriger mit.

- VON PATRICK SCHERER

DÜSSELDORF Die meisten Kinder verbringen ihren neunten Geburtstag im Freizeitpa­rk, beim Minigolf oder mit Freunden im Garten. Iljas Allanazaro­w feierte die Vollendung seines neunten Lebensjahr­es am Montag an Platte 14 in der Messehalle fünf in Düsseldorf. Der Turkmene ist der jüngste Teilnehmer an der Tischtenni­s-Weltmeiste­rschaft. Es gelang ihm nicht, sich selbst zu beschenken. Mit seinem Landsmann und Doppel-Partner Didar Shaymanov (17) schied Iljas mit 0:3 aus. Dass ein Neunjährig­er bei der Erwachsene­n-WM am Tisch stehen kann, ist nach den Regularien völlig okay. Denn während die Akteure bei Olympische­n Spielen mindestens 16 Jahre alt sein müssen, gibt es bei der WM keine Altersbesc­hränkung.

Hintergrun­d der unterschie­dlichen Behandlung: Der Tischtenni­sWeltverba­nd ITTF muss sich bei Olympische­n Spielen dem Regelwerk des Internatio­nalen Olympische­n Komitees beugen, kann aber bei einer Weltmeiste­rschaft seine eigenen Regeln aufstellen. Und die lauten eben aufs Alter bezogen: Alles ist erlaubt.

Nach Meinung von Richard Prause, Sportdirek­tor des Deutschen Tischtenni­s Bundes (DTTB), ist die Regel durchaus sinnvoll. Die Spieler in der Weltspitze haben nahezu durchgehen­d im Alter zwischen fünf und sieben Jahren mit intensivem Training begonnen. Die Trainingsu­mfänge liegen bereits in dieser Entwicklun­gsstufe bei mehreren Stunden pro Tag. Timo Boll spielte Bundesliga mit 14, wurde Weltrangli­stenerster mit 20. „Wenn die Jungs den Sport mit Spaß und Ehrgeiz betreiben und schon das Level für Herrenspor­t erreicht haben, ist es völlig okay mitzuspiel­en“, sagt Prause.

Ein gutes Beispiel dafür ist Tomokazu Harimoto. Der Japaner ist 13 Jahre alt, tritt heute (15 Uhr) im Einzel in der Runde der letzten 128 an. Er gilt als Ausnahmeta­lent. 2015 hatte Harimoto die Tischtenni­sWelt aufhorchen lassen, als er zwei Top-100-Spieler besiegte. Im vergangene­n Jahr gewann er als Zwölfjähri­ger sensatione­ll die WM der Unter-18-Jährigen – als jüngster Spieler der Geschichte. „Ich habe schon mit zwei Jahren mit Tischtenni­s angefangen wegen meiner Eltern, die auch Tischtenni­sspieler waren“, sagte Harimoto vor zwei Jahren bei einem Turnier in Polen. „Als kleiner Junge habe ich auf einem Stuhl gesessen und versucht, Tischtenni­s zu spielen. Heute trainiere ich jeden Tag neun Stunden.“

Und auch Jörg Roßkopf wäre nicht abgeneigt, solch ein Talent entspreche­nd zu fördern. „Wenn es einen deutschen Neunjährig­en gäbe, und der wäre besser als einer der sechs Erwachsene­n, die ich nominieren kann, dann würde ich ihn auch zur WM mitnehmen, klar“, sagt der Bundestrai­ner im Gespräch mit unserer Redaktion.

Für Prause gilt es dabei aber einen entscheide­nden Faktor zu berücksich­tigen: die Eigenveran­twortung der nationalen Verbände. „Jedes Land hat eine Sorgfaltsp­flicht gegenüber den Spielern“, sagt Prause. Gerade bei Minderjähr­igen müsse die umso größer sein.

Im Fall Iljas Allanazaro­w darf das sportliche Motiv einer Nominierun­g zumindest angezweife­lt werden. Der Neunjährig­e ist zum zweiten Mal bei einer WM dabei, schied aber erneut direkt in der Qualifikat­ion aus. Gegen Teilnehmer von den Philippine­n. Iljas’ Vater ist der turkmenisc­he Verbandspr­äsident Agamurat Allanazaro­w. Es wird gemun- kelt, dass Iljas mehr Urlauber in Düsseldorf denn Teilnehmer an der WM ist.

Bei der ITTF ist das Thema auf dem Radar. „Bisher hielten sich die minderjähr­igen Teilnehmer in Grenzen“, sagt Weltverban­dspräsiden­t Thomas Weikert. „Sollte das aber nun häufiger vorkommen, müssen wir das im Auge behalten und darüber diskutiere­n.“

Für Weikert ist heute der wichtigste Tag bei der WM. Beim Annual General Meeting will der Hesse als Oberhaupt des weltweiten Tischtenni­s-Sports wiedergewä­hlt werden. Zur Mittagszei­t ist ein Ergebnis der Abstimmung zu erwarten. Weikert gilt als Favorit im Duell mit seinem einzigen Gegenkandi­daten Jean-Michel Saive aus Belgien.

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FOTO: IMAGO Bereits sehr erwachsen am Tisch: der Japaner Tomokazu Harimoto (13).
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FOTO: KREBS Hochkonzen­triert: der neunjährig­e Turkmene Iljas Allanazaro­w

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