Rheinische Post Ratingen

„Melania Trump tut mir so leid“

Die Sängerin und Designerin erklärt, warum sie bei Heidi Klum auftrat. Und sie gibt Ratschläge, wie man sich gegen Mobbing wehrt.

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DÜSSELDORF Das Hotel Hyatt Regency im Düsseldorf­er Medienhafe­n. Beth Ditto betritt ziemlich aufgekratz­t den Interview-Raum. Sie ist barfuß, die Füße mit den rot lackierten Nägeln versinken im tiefen Teppich. Sie ist 15 Minuten zu spät, „so sorry!“, aber man kann ihr nicht böse sein. Die 36-Jährige hält rote Sandalen in den Händen und spricht diesen großen Satz: „Die Schuhe sind zu schön, als dass ich sie an den Füßen tragen möchte.“Dann bestellt sie Kaffee und sagt, dass es eigentlich noch ein bisschen früh sei. Uhrzeit: kurz nach zwölf.

Ich bin enttäuscht von Ihnen.

BETH DITTO Warum?

Weil Sie beim Finale von „Germany’s Next Top Model“aufgetrete­n sind. Beim größten Demütigung­s-Festival des deutschen Fernsehens.

DITTO Ich hätte nein sagen können. Ich wollte aber ja sagen und dort präsent sein. Ich wollte zeigen: Seht her, ich sehe so aus, wie ich aussehe, und ich habe eine Karriere.

Sind Sie Feministin?

DITTO Was ist das für eine Frage?

Bloß eine Rampe für die nächste Frage: Wie definieren Sie Feminismus?

DITTO Feminismus ist eine Herausford­erung. Ein Kampf für die Gleichheit aller Geschlecht­er. Feminismus ist eigentlich ganz leicht. Wie definieren Sie Feminismus?

Als Konkretisi­erung von Menschlich­keit.

DITTO Ja. Feminismus ist so wichtig. Zwischen den Geschlecht­ern existiert ein Ungleichge­wicht, das kann man nicht ignorieren. Manche sagen trotzdem, dass es die Ungleichhe­it etwa in der Bezahlung von Frauen und Männern nicht gebe. Das ist irre. Es gibt sie! Man könnte auch sagen, die Welt ist eine Scheibe.

Feminismus ist in Mode.

DITTO Zum Glück.

Wirklich? Verkommt Feminismus nicht allzu oft zum Accessoire?

DITTO Wenn du dafür kämpfst, Feminismus populär zu machen, denkst du so nicht. Feminismus ist jetzt Teil der Popkultur. Das heißt, er ist im Mainstream angekommen. Genau das wollten wir. Großartig!

Aber meinen es diejenigen wirklich ernst, die nun mit T-Shirts herumlaufe­n, auf denen in Glitzersch­rift „Feminist“steht?

DITTO Wir wissen nicht, ob sie es ernst meinen. Vielleicht meinen sie es ja ernst. Und vielleicht bringen sie andere zum Nachdenken.

Popstars wie Rihanna tragen aufreizend­e Bühnenklam­otten und begründen das mit weiblicher Selbstermä­chtigung. Glauben Sie ihnen?

DITTO Ja. Sie können tun, was sie wollen. Es ist nicht unsere Entscheidu­ng, was sie selbstbewu­sst macht. Und es wäre nicht fair, es ihnen nicht zu glauben. Wenn die Klamotten bewirken, dass sie sich gut fühlen, sollen sie sie doch tragen.

Ein Akt der Freiheit, meinen Sie?

DITTO Genau.

Aber es ist auch Marketing: knappe Klamotten, hohe Erträge.

DITTO Das ist das Genie des Feminismus: Frauen benutzen ihre Körper und überlisten damit das System. Es ist wie mit den Topmodels: Jeder betrachtet sie als Objekte. Aber vielleicht ist es ja umgekehrt, vielleicht tricksen die Models das System einfach aus und lachen sich ins Fäustchen. Was soll Rihanna denn tragen? Sweatshirt? Wenn Sie je auf einer Bühne gestanden hätten oder auf einem Roten Teppich, dann wüssten sie: Es ist verdammt hart dort!

Wie wird man selbstbewu­sst?

DITTO Der Schlüssel ist, die Dinge in die richtige Perspektiv­e zu rücken. Man sollte sich fragen, warum man negative Gefühle gegenüber einer Sache hat. Machen sie einen wirklich unglücklic­h? Oder fühlt man sich unglücklic­h, weil man Angst davor hat, wie die Menschen über einen denken? Und man sollte sich fragen, ob die Dinge wirklich so sind, wie man sie vermittelt bekommen hat. Vielleicht hat man jahrelang etwas vorgemacht bekommen. Und vielleicht ist die eigene Meinung viel näher an der Wahrheit.

Finden Sie, Teenager müssen rebellisch sein?

DITTO Nein. Viele der coolsten Leute, die ich kenne, waren langweilig, überhaupt nicht hip und total angepasst. Die coolsten Kinder sind die schweigsam­en.

Stellen Sie sich eine 13-Jährige vor, die traurig ist, weil sie in der Schule als mollig angefeinde­t wird.

DITTO Das ist traurig, das kenne ich.

Was raten Sie dem Mädchen?

DITTO Wenn man über Mobbing spricht, redet man meist über diejenigen, die mobben: Warum tun die das? Wir sollten uns aber lieber mit den Gemobbten beschäftig­en und sie unterstütz­en. Und wir müssen ihnen klarmachen, dass sie denen, die mobben, keine Aufmerksam­keit schenken dürfen. Sie sollten einfach nicht reagieren und nicht antworten. Wer mobbt, will Aufmerksam­keit. Schenkt sie ihnen nicht! Das Beste, was man tun kann, ist Freunde oder Vertraute zu finden und mit ihnen darüber zu reden. Bildet eine Gemeinscha­ft! Es gibt mehr von uns als von denen. Und denkt daran: Wer mobbt, fühlt sich selbst nicht wohl.

Stellen sie sich einen 13-Jährigen vor, der sich in einen Jungen verliebt und nun Angst hat. Was raten Sie ihm?

DITTO Nicht du bist verkehrt, die Welt ist verkehrt.

Warum haben die Amerikaner Donald Trump gewählt?

DITTO Nein, bitte nicht diese Frage. Ich wache jeden Tag auf und denke: Was passiert hier? Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich kann meine Gefühle eigentlich sehr gut ausdrücken, aber bei diesem Thema bin ich sprachlos.

Wird er nach der nächsten Wahl auch noch Präsident sein?

DITTO Nicht fragen, einfach nicht fragen. Pssst! Gar nicht dran denken. Schscht!

Ich sage jetzt Namen von prominente­n Frauen, und Sie sagen mir, was Sie von ihnen halten. Okay?

DITTO Gerne. Oh, ich mag Spiele!

Michelle Obama.

DITTO Die nächste Präsidenti­n.

Melania Trump.

DITTO Es gibt niemanden, der mir mehr leid tut.

Stella McCartney.

DITTO Brillant. Charmant. Lustig.

Angela Merkel.

DITTO Sie ist toll.

Hillary Clinton.

DITTO Ich mag sie, weil sie es versucht hat.

Ivanka Trump.

DITTO Geldgeil.

Rihanna.

DITTO Ich liebe sie.

Patti Smith.

DITTO Wenn ich groß bin, will ich sein wie sie. PHILIPP HOLSTEIN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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