Abitur wieder nach neun Jahren
CDU und FDP haben sich bei ihren Koalitionsverhandlungen auf die Abkehr vom Turbo-Abi geeinigt. G9 soll in NRW wieder zum Regelfall werden. Einzelne Gymnasien dürfen aber auch bei G8 bleiben.
DÜSSELDORF CDU und FDP haben in der fünften Runde ihrer Koalitionsverhandlungen einen wichtigen Durchbruch in der Schulpolitik geschafft: In NRW soll das Abitur nach neun Gymnasial-Jahren ( G9) ab dem Schuljahr 2019/2020 wieder zum Regelfall werden. Zugleich soll Schulen, die beim Turbo-Abi nach acht Jahren (G8) bleiben wollen, auch diese Variante offen stehen.
„Wir wollen die Wahlfreiheit grundsätzlich ermöglichen“, sagte CDU-Verhandlungsführer Armin Laschet gestern. FDP-Verhandlungsführer Christian Lindner sprach dennoch von einer „Leitentscheidung zugunsten von G9“. Denn Gymnasien, die keine anderweitige Initiative ergreifen, werden in etwa zwei Jahren automatisch zu G9-Schulen. Die G8-Schulen müssen ihren Sonderweg hingegen über einen Verwaltungsakt begründen.
Welches Gremium an den Schulen die Entscheidung treffen soll, ist noch unklar. Ebenso, welche Kosten diese Regelung verursachen wird. Die Wiedereinführung des neunten Schuljahres an den NRW-Gymna- sien ist nur mit zusätzlichen Lehrern machbar. Nachdem die schwarz-gelbe Landesregierung das achtjährige Gymnasium 2005 zur Vorgabe machte, sind von den rund 600 Gymnasien in NRW nur ein Dutzend bei G9 geblieben.
Entscheide sich ein Gymnasium, beim Turbo-Abi zu bleiben, werde es eine gesonderte Unterstützung erhalten. Ziel sei in diesen Fällen ein „qualitätsvolleres G 8“mit mehr Kapazitäten für die Betreuung der Schüler, um den Schulen eine Auswahl zwischen echten Alternativen zu ermöglichen. Dennoch gehen Laschet und Lindner mit Blick auf Hessen, wo die Schulen sich ebenfalls für G8 oder G9 entscheiden können, davon aus, dass etwa 90 Prozent der NRW-Gymnasien zu G9 zurückkehren.
„Ich hätte mir von der Politik eine konsequentere Entscheidung für die eine oder die andere Variante gewünscht“, kritisierte Günter Fischer, der Mitglied im Vorstand der Rheinischen Direktorenkonferenz ist und als Rektor an einem Viersener Gymnasium selbst Erfahrungen mit der verkürzten Schulzeit gesammelt hat. „Ich fürchte, dass diese Wahlfreiheit durch die Hintertür doch wieder zu Rivalitäten unter den Gymnasien führt“, so Fischer
Verhalten positiv äußerte sich Marcus Hohenstein, der seit fünf Monaten das Volksbegehren „G9jetzt“gegen das Turbo-Abi organisiert. „Die beiden haben den Wählerauftrag erkannt und angenommen“, sagte Hohenstein mit Blick auf Laschet und Lindner. Man müsse nun schauen, was im Kleinge- druckten stehe. Von den 1,1 Millionen erfolgreichen Unterschriften lägen der Initiative bereits etwa 500.000 vor. Es sei zu prüfen, ob das Volksbegehren fortgesetzt wird.
Das Turbo-Abi hat in NRW zu wachsendem Unmut bei Schülern, Eltern und Lehrern geführt. In ihren Wahlprogrammen hatten CDU und FDP sich noch für eine Wahlfreiheit der Schulen ohne politische Richtungsvorgabe ausgesprochen. Die jetzt formulierte Variante „G9 als Regelfall“entlastet aus Sicht von CDU und FDP die meisten Schulen vom Verwaltungsakt einer Entscheidungsfindung, ohne die G8-bereiten Gymnasien einzuschränken. „Es gibt etliche Schulen, bei denen G8 gut funktioniert. Das wollen wir erhalten“, so Laschet.
Kippen wollen CDU und FDP die noch gültige Erlasslage von RotGrün, nach der Kinder auch ohne ausreichende Deutschkenntnisse in den Regelklassen unterrichtet werden. Stattdessen sollen Förderklassen eingerichtet werden, in denen Flüchtlingskinder so lange gesondert unterrichtet werden, bis sie hinreichend Deutsch sprechen. Leitartikel Seite A2