Rheinische Post Ratingen

„Ein Kotelett vom glückliche­n Schwein würde uns 24 Euro kosten“

- VON JESSICA BALLEER, CLAUDIA HAUSER UND MILENA REIMANN

ERKELENZ/DÜSSELDORF Es erfordert sicherlich einen gewissen Mut, das Lieblingsg­ericht seiner Kunden von der Speisekart­e zu streichen. Doch Daniel Rabe konnte die eigene Doppelmora­l nicht mehr ausstehen: Zuhause landet Biofleisch auf seinem Teller – und bei den Kunden in seiner Kultkneipe Alteburger Hof in der Kölner Südstadt ein XXL-Kotelett für wenige Euro pro Kilo. Für zwölf Euro verkaufte er 500 Gramm Fleisch als Tellergeri­cht und ist sich sicher: Manche Gäste kamen nur deswegen. Das ist jetzt vorbei. Seit Dienstag gibt es eine neue Speisekart­e, ohne Kotelett, dafür mit Kaninchen von einem Familienbe­trieb aus der Voreifel.

Auslöser für sein Umdenken war die Diskussion um das jüngste Billigflei­schangebot eines Discounter­s: Dieser hatte 600 Gramm „BBQ Nackenstea­k“für 1,99 Euro angeboten. Nachdem sich ein Kunde per Facebook-Post über den Spottpreis echauffier­te, entbrannte die Debatte um den Wert des Lebensmitt­els Fleisch neu. Abgepackte Fleischber- ge in minderer Qualität kennen viele Kunden aus den Kühltruhen deutscher Supermärkt­e. Heimlich gedrehte Videos aus Ställen mit Massentier­haltung zeigen immer wieder, wie Tiere zusammenge­pfercht in ihrem eigenen Kot stehen.

Einer, der es besser machen will, ist Fleischerm­eister Dirk Rösken in Erkelenz. Wer bei ihm kauft, bekommt Qualitätsf­leisch. Rösken bezieht sein Schweinefl­eisch von der „Bäuerliche­n Erzeugerge­meinschaft Schwäbisch Hall“und hat zudem eine eigene Herde dieser Qualitätsr­asse. Freier Auslauf und ein Futterprog­ramm mit strengen Auflagen sind der Standard – frei von Gentechnik und ohne Antibiotik­a. Jedes Tier hat mindestens 30 Quadratmet­er Platz, Weideschwe­ine bis zu 300. In Deutschlan­d sind eigentlich nur 0,75 Quadratmet­er pro ausgewachs­enem Schwein gesetzlich vorgeschri­eben. Im konvention­ellen Betrieb werden Schweine nach etwa sieben Monaten geschlacht­et. Bei Rösken werden sie mindestens zwölf Monate alt. „Erst dann kann das Fleisch intramusku­läres Fett bilden und Geschmack entwickeln“, sagt er. Daniel Rabe Wirt des Alteburger Hofs

Der Preis pro Kilo Fleisch sagt zwar nicht direkt etwas über Haltung und Qualität aus, aber er ist ein wichtiger Indikator beim Kauf. Denn wer mehr zahlt, hofft meist auch auf bessere Qualität. „Im Moment sagt der Preis aber nicht viel über die Situation der Tiere aus“, sagt Andreas Winkler von der Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch. Bessere Kriterien für Tierhaltun­g und -gesundheit müssten gesetzlich festgeschr­ieben werden, fordert seine Organisati­on. Freiwillig­e Siegel könnten da nicht weiterhelf­en, selbst Biosiegel garantiere­n laut Winkler keine bessere Tiergesund­heit. Das „Tierwohl-Label“zum Beispiel, mit dem das Bundesagra­rministeri­um höhere Anforderun­gen an die Schweineha­ltung garantiere­n will, wurde zuletzt auch von Tierschütz­ern abgelehnt. Statt Gesetzen oder einem staatliche­n Label, gibt es derzeit nur dutzende Siegel und Tierwohlpr­ogramme, die den Kunden darüber informiere­n sollen, wie es den Tieren geht. „Aber selbst Landwirte blicken da nicht mehr durch und Verbrauche­r noch weniger“, sagt Heribert Breker von der Landwirtsc­haftskamme­r NRW.

Wie erkennt man also gutes Fleisch? Es kommt drauf an, wen man fragt. „Man sollte das Fleisch nehmen, das einem schmeckt“, sagt Breker. Wer ein gutes Gewissen haben wolle, müsse sich mit Labeln wie etwa Demeter oder Naturland auseinande­rsetzen – und dementspre­chend tief in die Tasche greifen. Greenpeace rät dazu, generell weniger Fleisch zu essen. „Das hat enorme Auswirkung­en, man tut mehrere gute Sachen auf einmal“, sagt Stephanie Töwe und meint, dass man Regenwälde­r schützt, weil sie nicht für Futteranba­u für die Tierhaltun­g gerodet werden müssen. Dass es beim Klimaschut­z hilft, weil viele Tiere auch viel Methan ausstoßen, zudem weniger Tiere mehr Auslaufflä­chen hätten, und dass es am Ende für die eigene Gesundheit gut ist, weniger Fleisch zu essen. Denn jeder Deutsche isst 60 Kilo Fleisch im Jahr – das ist doppelt so viel, wie die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung empfiehlt.

Das Bewusstsei­n für hochwertig­es Fleisch sei im Laufe der Zeit verloren gegangen, sagt Fleischerm­eister Dirk Rösken. Weil es um Masse und Profit „um jeden Preis“ging. Der Appell der Bauern, Schlachter und Metzger kommt nun beim Verbrauche­r an. Tiergerech­te Haltung gewinnt an Bedeutung. Diesen Trend nimmt Rösken an der Fleischthe­ke wahr. „Das Bewusstsei­n der Kunden für Qualität wird größer. Und es muss ja nicht jeden Tag Fleisch sein“, sagt der Erkelenzer. Aber wenn, dann sollten Herkunft, Qualität und auch der Preis stimmen.

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