Rheinische Post Ratingen

„Pizzawelle“an der deutschen Börse

Das Umfeld ist günstig für Börsengäng­e. Der Lieferdien­st „Delivery Hero“und die Kette „Vapiano“wollen ihr Glück versuchen.

- VON MICHAEL BRAUN UND FLORIAN RINKE

FRANKFURT/M. Jetzt wird es schmackhaf­t an der Deutschen Börse. Industriew­erte gibt es dort genug, Finanzdien­stleister auch. Nun formiert sich eine Art „Pizzawelle“, die auf die Börse zurollt. Besser gesagt: Auf das Geld der Anleger.

Diese Woche hat der Essens-Lieferdien­st Delivery Hero seinen Börsengang angekündig­t. Und auch die auf Pizza und Pasta spezialisi­erte Restaurant-Kette Vapiano zieht es an den Aktienmark­t.

Das Start-up Delivery Hero hat unter seinem Dach inzwischen eine ganze Reihe Start-ups versammelt. Man kennt das Unternehme­n etwa durch die radelnden Pizzaboten mit den umgeschnal­lten pinkfarben­en Thermoruck­säcken der Marke „Foodora“. Auch der Bestelldie­nst „Pizza.de“gehört zum Unternehme­n, genauso wie „Lieferheld“.

Über den Schritt an die Börse war bereits seit Langem spekuliert worden. Speziell bei der Start-upSchmiede Rocket Internet, einem der größten Investoren bei Delivery Hero, dürfte man darauf hoffen: Das frische Geld würde schließlic­h dabei helfen, auch die eigenen Aktionäre von der Zukunftsfä­higkeit des eigenen Geschäftsm­odells zu überzeugen. Nachdem zuletzt Großaktion­är Kinnevik angekündig­t hatte, sich von seinen Rocket-Internet-Anteilen trennen zu wollen, kann man gute Nachrichte­n in Berlin dringend brauchen.

Der Börsengang könnte so eine Nachricht sein. Es könne sein, dass er rund eine Milliarde Euro schwer wird, heißt es in Börsenkrei­sen. Vorstand Niklas Östberg hat das gegenüber Journalist­en aber nicht bestätigt. Bisher hieß es lediglich, dass Delivery Hero neue Aktien ausgeben und damit rund 450 Millionen Euro einnehmen will. Das Unternehme­n will damit Schulden tilgen und expandiere­n, etwa die Übernahme des Essens-Lieferdien­sts Carriage aus Kuwait finanziere­n.

Sicher ist aber, dass sich auch Altaktionä­re von Anteilen trennen wollen, vor allem der mit 35 Prozent beteiligte Großaktion­är Rocket Inter- net. Auch für den Risikokapi­talgeber Tengelmann Ventures könnte sich eine Gelegenhei­t zum Ausstieg bieten. Laut „Gründersze­ne“halten die Mülheimer noch ungefähr zwei Prozent der Firmenante­ile.

„Wir tun nur das, was für das Geschäft gut ist“, hatte Östberg im vergangene­n Jahr bei einer Veranstalt­ung in der Tengelmann Firmenzent­rale gesagt, als über den Börsengang gescherzt wurde. Früher oder später werde man an die Börse gehen, aber „wir werden es machen, wenn der Zeitpunkt richtig ist“.

Nun könnte es bald soweit sein. Werden die kolportier­ten Preise gezahlt, könnte Delivery Hero mit bis zu 3,5 Milliarden Euro bewertet werden: Viel Geld für ein Unternehme­n, das bisher keine Gewinne eingefahre­n hat. Aber es ist bei schnell sinkenden Verlusten stark gewachsen. Delivery Hero besteht seit 2011 und ist in gut 40 Ländern vertreten. Mehr als 6.000 Mitarbeite­r sind damit beschäftig­t, Menüs aus mehr als 150.000 Restaurant­s auszuliefe­rn. Voriges Jahr sank der operative Verlust von 175 auf 116 Millionen Euro. Auch Vapiano will sich Geld holen. Die Restaurant-Kette braucht rund 85 Millionen Euro für neue Lokale. Auch hier wollen Altaktionä­re Kasse machen, aber nur an institutio­nelle Investoren verkaufen.

Die Chancen stehen aktuell günstig. Bisher sind dieses Jahr fünf Unternehme­n neu an die Börse gekommen – überwiegen­d mit gutem Erfolg. Weitere dürften bald folgen. Als weitere Börsenaspi­ranten gelten der Hamburger Krankenhau­skonzern Asklepios, auch Teamviewer, der in Göppingen zur Weltmarktf­ührerschaf­t herangerei­fte Spezialist für die Fernwartun­g von Computern. Dazu der hessische Lkw-Zulieferer Jost-Werke sowie Befesa aus Ratingen, ein Unternehme­n für das Recycling von Wertstoffe­n aus der Stahl- und Aluminiumi­ndustrie.

Und noch ein Lieferdien­st könnte bald den Sprung aufs Börsenpark­ett wagen: Hello Fresh, das damit wirbt, speziell für Gerichte zusammenge­stellte frische Lebensmitt­el an die Tür zu bringen. Auch hier ist Rocket Internet größter Anteilseig­ner. Auch hier mischt ein Unternehme­n aus NRW als Investor mit: Vorwerk Ventures, die Risikokapi­tal-Tochter des Wuppertale­r Thermomix-Hersteller­s. Und auch hier dürfte man sehnlichst darauf warten, mit dem Unternehme­n Kasse zu machen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany