Rheinische Post Ratingen

Die Holländer kommen

Zum Grand Départ de Tour der France Anfang Juli werden Tausende Niederländ­er in und um Düsseldorf ihre Party feiern.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Der Berg der Holländer liegt in den französisc­hen Alpen. Auf 1860 Metern. L’Alpe d’Huez heißt der Ort, der unsere Nachbarn magisch anzieht. Zu Tausenden machen sich die Holländer im Juli auf, stilecht im Wohnwagen, und sie verwandeln beide Seiten der Kehren hinauf in einen kilometerl­angen Lindwurm in Orange. Immer dann, wenn L’Alpe d’Huez im Programm der Tour de France enthalten ist, und das war es seit 1976 bis auf 13 Mal stets.

Den Namen „Berg der Holländer“verdankt die legendäre Bergankunf­t der Tatsache, dass bis 1989 acht von 14 Etappenerf­olgen von holländisc­hen Fahrern errungen werden konnten. Seitdem liegt diese Tradition zwar brach, aber bis heute rangieren die Holländer mit ihren acht Siegen ganz vorn. Die Italiener kommen auf sieben. Also bleibt L’Alpe d’Huez zumindest vorerst der Berg der Holländer.

Dieses Jahr fehlt der Berg im TourProgra­mm. Wie schon im Vorjahr. Die Radsportfa­ns aus Holland sind in solchen Fällen zwar flexibel genug, auf andere Bergankünf­te auszuweich­en, aber in diesem Jahr bietet sich ihnen eben auch direkt vor der Haustür die Möglichkei­t, die Faszinatio­n Tour auszuleben: das Rheinland.

Die Große Schleife startet schließlic­h am 1. Juli in Düsseldorf und führt auf ihrer zweiten Etappe durch die Region und über Mönchengla­dbach hinaus Richtung Lüttich. „Ich gehe davon aus, dass zu diesem Anlass viele Niederländ­er die kurze Reise über die Grenze machen werden“, sagt Ton Lansink. Er muss es wissen, er ist Generalkon­sul der Niederland­e in NRW. „Aus einem Umkreis von zirka einhundert Kilometern, so hört man, haben viele niederländ­ische Radsportle­r die feste Absicht, als Team auf dem Rennrad nach Düsseldorf zu kommen“, erklärt er.

Die Holländer werden also kommen – allein, in welchen Massen, darüber gibt es keine verlässlic­hen Zahlen. Aber dass es viele werden, davon gehen alle aus, die man fragt. Denn die Behauptung, dass unsere Nachbarn das fahrradver­rückteste Volk Europas sind, zweifelt niemand ernsthaft an. Lansink selbst spricht von den „fahrradver­narrten Niederlade­n“. Und er sagt: „Wir Niederländ­er sind ja dafür bekannt, dass wir wenige Anlässe benötigen, um ein rauschende­s Volksfest zu organisier­en. Und dabei tut es nichts zur Sache, wo auf der Welt wir uns dabei gerade befinden.“

Mit 18 Millionen Fahrrädern bei 16,9 Millionen Einwohnern sind die Niederland­e das einzige Land in Europa mit mehr Drahteseln als Bürgern. Zum Vergleich: In Deutschlan­d kommen auf knapp 82 Millionen Einwohner 73 Millionen Fahrräder. 914 Euro kostet in den Niederland­en ein Fahrrad im Schnitt, knapp 350 Euro mehr als bei uns. Mehr als 30.000 Kilometer Radrouten gibt es in den Niederland­en. 2014 radelten die Holländer rund 14,5 Milliarden Kilometer, also jeder rund 858 Kilometer im Jahr. In der Hauptstadt Amsterdam findet 40 Prozent der gesamten Fortbewegu­ng per Fahrrad statt.

Wer also dem Fahrrad so viel Bedeutung zumisst, der kann dann auch mit Begeisteru­ng für den Radsport nicht wirklich überrasche­n. Marcel Wintels würde gerne aus dieser Begeisteru­ng Kapital schlagen. Er ist der Vorsitzend­e des holländisc­hen Radsportve­rbandes KNWU und seiner knapp 33.000 Mitglieder. Er sagt: „Wir hoffen natürlich, dass die Leute noch mehr Enthusiasm­us für den Radsport entwickeln, wenn sie den Grand Départ besucht haben oder die Tour im Fernsehen verfolgen.“Und dass es Enthusiasm­us sein wird, was Massen seiner Landsleute am ersten Juli-Wochenende über die Grenze schwappen lassen wird, davon ist Wintels überzeugt. „Er wird gewal- tig sein.“Sein Traumszena­rio liegt dabei auf der Hand: „Es wäre schön, wenn in naher Zukunft ein Holländer die Tour gewinnen könnte.“Vielleicht ja Bauke Mollema. Joop Zoetemelk war 1980 der bislang letzte, dem das gelang.

Wie man dagegen einen stimmungsv­ollen Auftakt einer großen Rundfahrt hinbekommt, haben die Niederländ­er erst im Vorjahr bewiesen. Als der Giro d’Italia in Apeldoorn startete. Und im Jahr davor. Als der Grand Départ der Tour in Utrecht stattfand. „Aus den Erfahrunge­n dieser zwei großen Ereignisse kann ich der Stadt Düsseldorf nur herzlich zu dem Erfolg gratuliere­n, die Tour de France hierher geholt zu haben. Unsere Erfahrunge­n waren jedes Mal dergestalt, dass die Anzahl der Teilnehmer alle Erwartunge­n übertroffe­n und die Publikumsw­irksamkeit – ökonomisch gesehen – die Investitio­nen mehr als gerechtfer­tigt hat“, sagt Lansink.

Gerade den letzten Satz dürfte Düsseldorf­s Oberbürger­meister Thomas Geisel sehr gerne hören. Und mit ihm die anderen (Ober)Bürgermeis­ter und Landräte, durch deren Städte die Tour Anfang Juli rollt. Und die natürlich alle darauf setzen, dass viele Holländer vorbeikomm­en. Mit ihrer kreativen Begeisteru­ngsfähigke­it und gerne um ein paar Euro ärmer bei ihrer Abreise.

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FOTO: IMAGO Da wird sogar der Berg oranje: Holländisc­he Fans bejubeln Lars Boom bei der Tour-Etappe nach L’Alpe d’Huez.
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