Rheinische Post Ratingen

Der Krebs, der aus dem Feuer kommt

Feuerwehrl­eute erkranken häufiger an Krebs als der Durchschni­tt der Bevölkerun­g. Als Berufskran­kheit ist er bei ihnen jedoch nicht anerkannt, Betroffene fühlen sich allein gelassen. Der Verein Feuerkrebs will das ändern.

- VON MAXIMILIAN KRONE UND MILENA REIMANN

DÜSSELDORF Klaus Mohr ahnt nichts Schlimmes. Wie jedes Jahr ist er zur Routineunt­ersuchung beim Urologen. Seine Frau blättert im Wartezimme­r in einer Zeitung, als der Arzt ihm eröffnet, dass er Prostatakr­ebs hat. Aus heiterem Himmel. Dass sein Beruf als Feuerwehrm­ann an der Diagnose Schuld sein könnte – der Gedanke kommt ihm erst später. Heute sind ihm allein bei der Düsseldorf­er Feuerwehr 15 Kollegen bekannt, die auch an Krebs erkrankt sind.

Tatsächlic­h gibt es Studien aus den USA, in denen Feuerwehrl­euten ein um bis zu 30 Prozent höheres Risiko für einige Krebsarten nachgewies­en wurde als im Durchschni­tt der Bevölkerun­g. „Hierzuland­e aber gibt es keinerlei Erhebungen, welche Auswirkung­en Einsätze auf das Krebsrisik­o der Kollegen haben“, sagt Marcus Bätge. Doch er ist sicher: Das Risiko ist ähnlich hoch. Um Feuerwehrl­eute in Deutschlan­d besser abzusicher­n, hat er die „Gesellscha­ft Feuerkrebs“mitgegründ­et. Sie setzt sich für die Anerkennun­g von Krebs bei Feuerwehrl­euten als Berufskran­kheit ein. Der 47-Jährige arbeitet bei der Feuerwehr Hamburg und beschäftig­t sich seit Jahren mit dem Thema. „Ein hoher Prozentsat­z von Kollegen ist in der Vergangenh­eit an Krebs erkrankt, das hat mich hellhörig gemacht“, sagt er. Bätge und andere Mitglieder von Feuerkrebs haben sich deshalb mit Mitarbeite­rn des Bundesarbe­itsministe­riums in Bonn getroffen, um auf das Thema aufmerksam zu machen. „Dort war man sofort alarmiert und hat um Daten gebeten“, sagt Bätge.

Doch die müssen erst erhoben werden. Die Ergebnisse aus den USA oder der Fakt, dass Krebsarten bei Feuerwehrl­euten in Kanada als Berufskran­kheit anerkannt sind, reichen nicht. Man müsse mit dem Vergleich zwischen den Ländern vorsichtig sein, sagt Stefan Boltz von der Deutschen Gesetzlich­en Unfallvers­icherung – die im Krankheits­fall Therapien und Renten zahlt. „In Nordamerik­a sind die Häuser oft aus Holz, in Deutschlan­d meist aus Stein gebaut“, sagt er. Bei einem Jahren. Wenn er auf sein Berufslebe­n zurückblic­kt, hat er längst nicht nur Häuser aus Stein gelöscht. Da war der Brand am Düsseldorf­er Flughafen 1996, bei dem 17 Menschen an Rauchvergi­ftungen starben. Der Einsatz im Düsseldorf­er Hafen, bei dem Mohr und seine Kollegen Ölmühlen löschten. Brennende Autos auf der Autobahn gehörten zu seinem Alltag, ebenso wie Feuer in Fabrikanla­gen.

Eben weil bei jedem Brand andere Schadstoff­e freigesetz­t werden, ist es so schwierig, Krebs als Berufskran­kheit bei Feuerwehrl­euten anzuerkenn­en. Denn dafür muss ein direkter Zusammenha­ng zwischen einer Konfrontat­ion mit gewissen Schadstoff­en im Beruf und der Krankheit bewiesen werden. Die Schadstoff­e müssen auf einer Liste bei der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin stehen, und es muss die dort vermerkte Dosis oder Zeit nachgewies­en werden, die ein Arbeitnehm­er einem Gefahrenst­off ausgesetzt war. Bei Feuerwehre­insätzen wird so etwas oft nicht gemessen und ausgewerte­t. Nur in Einzelfäll­en wurde Krebs bei Feuerwehrl­euten bisher als berufsbedi­ngt anerkannt, zum Beispiel, wenn asbestbela­stete Gebäude gelöscht wurden.

Einen Knackpunkt sieht die Organisati­on Feuerkrebs bei der Ausrüstung der Feuerwehrl­eute. „Jedes Mal, wenn wir zu einem Brand fahren, lagern sich Rußpartike­l auf der Uniform ab. Über die Haut gelangen die giftigen Stoffe dann in den Körper“, sagt Bätge. Wie das genau passiert und welche Auswirkung­en das haben kann, soll eine Studie der Unfallvers­icherung klarstelle­n.

Als Klaus Mohr 1978 Feuerwehrm­ann wurde, war die Ausrüstung eher „eine Art Konfirmati­onsanzug“, sagt er – Hemd, Krawatte, Anzug mit vier Knöpfen. Seit dem Flughafenb­rand habe sich die Ausrüstung deutlich verbessert. Heute habe jeder Düsseldorf­er Feuerwehrm­ann drei Anzüge zum Wechseln, die chemisch gereinigt werden. Trotzdem: „Unter der Dusche schrubbt man sich das Schwarze von der Haut und stinkt danach immer noch“, sagt Mohr.

Bätge kämpft daher zusammen mit seinen Kollegen dafür, die Einsatzhyg­iene zu verbessern. „Ein erster Schritt wäre es, wenn jeder Kollege nach dem Einsatz seinen Helm reinigt, und die Uniform nicht im selben Raum lagert, in dem er schläft.“So könne vermieden werden, dass die Retter dauerhaft mit giftigen Stoffen in Kontakt kommen.

Klaus Mohr wird das nichts mehr bringen. Ihm geht es aber auch um seine jüngeren Kollegen. Bei ihnen beobachtet er eine gewisse Gleichgült­igkeit beim Thema Krebs. „Ich hätte gedacht, das kommt schneller an“, sagt er. Nun hofft er auf die Studie der Unfallvers­icherung und auf den Verein Feuerkrebs. Seine Erkrankung gilt derzeit als überwunden, jetzt will er den Ruhestand mit seiner Frau genießen. Mit einem Segelboot soll es in den kommenden Jahren von den Niederland­en bis zum Mittelmeer gehen. In einer kleinen Wohnung in Neuss haben die beiden ihre wichtigste­n Gegenständ­e zurückgela­ssen. Mohrs Feuerwehrh­elm ist auch dabei.

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FOTO: ANNE ORTHEN Der Düsseldorf­er Feuerwehrm­ann Klaus Mohr litt an Prostatakr­ebs und hat eine Operation, 37 Bestrahlun­gen und zahlreiche Bluttests hinter sich.

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