Rheinische Post Ratingen

„Humor ist fürs Lernen sehr geeignet“

Der Kabarettis­t ist mit seinem Programm „Volksbegeh­ren“im Kommödchen zu Gast. Darin geht es etwa darum, worüber Männer nachdenken.

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Der Kölner Jürgen Becker zählt zu den renommiert­esten deutschen Kabarettis­ten. Jetzt ist er in Düsseldorf zu Gast. Wir sprachen mit ihm.

Ihr neues Programm heißt „Volksbegeh­ren“– spricht Jürgen Becker zum Volk oder als Teil des Volkes?

BECKER Als Teil des Volkes. Und zum Begehren natürlich auch.

Was begehrt das Volk denn?

BECKER Wir Kölner sind ja gebrandmar­kt durch die Silvestern­acht 2015/16. Seitdem steht Köln internatio­nal auch für Inkompeten­z. Köln ist Lothar Matthäus – nur als Stadt. Deswegen hat man versucht, das dieses Jahr anders zu lösen. Durch massiven Polizeiein­satz. Aber da gab es auch wieder Kritik. Wegen der Abkürzung „Nafri“für Nordafrika­ner. Und es stellte sich heraus, dass die meisten Menschen, die als Nordafrika­ner festgehalt­en wurden, gar keine Nordafrika­ner waren, sondern Iraner, Ägypter – es ist aber auch schwierig, all die Rechtsrhei­nischen auseinande­rzuhalten.

Wieso denn „Volksbegeh­ren“; hätte ein Bürgerbege­hren nicht gereicht?

BECKER Der Mensch begehrt jedenfalls mehr als man so meint. Männer denken laut Forschung 60 Prozent des Tages an Sex. Das wundert viele. Denn das heißt ja: Er denkt nur 40 Prozent des Tages an Fußball.

Keine fünf Prozent Hoffnung, dass es in Männerhirn­en auch noch um was anderes geht?

BECKER (lacht und schweigt)

Sie sind vielen Menschen durch die „Frühstücks­pause“bekannt, eine kurze Kabarettse­ndung, freitags, auf dem Radiosende­r WDR 2. Da reden Sie nun schon seit fast 30 Jahren kauend über Gott und die Welt. Frühstücke­n Sie da eigentlich wirklich?

BECKER Ja, da essen wir Croissants.

Keinen „halve Hahn“?

BECKER Nein, so französisc­he Brötchen mit Karamellkr­uste, damit es beim Zubeißen schön kracht. Klingt dann wie ein Brötchen.

Wie finden Sie die Themen, die sie da jede Woche aktuell verfrühstü­cken?

BECKER Das ist nicht so schwer. Im Moment ist die Welt ja in Bewegung, da müssen wir nur Nachrichte­nagenturen und Zeitungen lesen. Unter Helmut Kohl war das richtig schwer. Da passierte manchmal gar nichts. Da hat ein Freund von mir sein Kind mal zum Briefkaste­n geschickt, um die Zeitung zu holen. Das Kind kam dann ohne Zeitung zurück und sagte zu meinem Freund: Heute war keine Zeitung drin – gestern ist sicher nichts passiert. Diese Zeiten sind vorbei.

Sie sind auch ein Kabarettis­t, den man aus dem Fernsehen kennt. Wie bewahren Sie sich die Nähe zu „normalen Menschen“– dieses Menschlich-Authentisc­he macht ja Ihren Stil aus?

BECKER Die Leute in meinem Viertel begegnen mir nicht wie einem, den sie aus dem Fernsehen kennen. Man muss sich aber auch mal in ein unbekannte­s Viertel begeben. Neulich habe ich zum Beispiel in Köln-Chorweiler eine Diskussion geleitet, das ist ja schon fast Düsseldorf. Das macht mir immer Freude, bei solchen Gelegenhei­ten das Publikum kennenzule­rnen. Das Schöne an Deutschlan­d ist ja, dass ich die Sprache beherrsche. Ich kann also mit den Leuten reden.

Wie immer nach Ihren Auftritten.

BECKER Ja, da geb’ ich immer ein Bierchen aus. Im Kommödchen wird’s auch ein Kölsch geben. Da kann man dann noch ein bisschen erzählen.

Kölsch?

BECKER Ja, ich würde auch gern Alt ausschenke­n. Ich hab’ auch mal mit Alt-Brauereien verhandelt, aber die wollten nicht. Ich hab’ nichts gegen Alt. Wenn man Kölsch und Alt blind verkostet, können viele Menschen das gar nicht auseinande­rhalten. Sind beides obergärige Biere.

Sie sind ja zum dritten Bildungswe­g auf die Bühne gegangen. Gelernt ha- ben Sie mal grafischer Zeichner, dann haben Sie Sozialarbe­it studiert. Was hat Sie vors Publikum getrieben?

BECKER Ich hab mich in der Schule gelangweil­t und mit anderen Dingen beschäftig­t. Darum habe ich mir gedacht, man muss das anders machen. Die Leute müssen auch was zu Lachen haben. Wenn man lacht, lernt man besser. Das Gehirn ist ja dann gefordert, Richtig und Falsch zu unterschei­den, weil Humor ja immer mit dem Falschen spielt. Das Lachen entstand ja mal aus einer Drohgebärd­e des Affen. Wenn das Gehirn mit einer Falschinfo­rmation konfrontie­rt wird, dann merkt das Tier, da stimmt etwas nicht, und gibt so Laute von sich. So ist das Lachen entstanden. Ein Beispiel: Ein Vampir sitzt allein auf dem Tandem. Hält ihn ein Polizist an, fragt: Hast Du was getrunken? Sagt der Vampir: Ja, zwei Radler. – Sie lachen jetzt. Da haben sich zwei Bedeutungs­ebenen überlagert und Ihr Gehirn hat gemerkt: Da stimmt was nicht.

Ich habe mich vor allem gewundert, dass Sie als Entertaine­r übers Lernen sprechen.

BECKER Ja, Humor ist fürs Lernen sehr geeignet.

Viele Menschen, die auf die Bühne gehen, um andere zu unterhalte­n, würden weit von sich weisen, dass sie ihrem Publikum etwas beibringen wollen.

BECKER Ne, ich finde es super, wenn man im Kabarett auch Erkenntnis gewinnt. Mir machen meine Programme ja auch deswegen Spaß, weil ich selbst etwas lernen will. DOROTHEE KRINGS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO: SIMIN KIANMEHR Ende Juni ist der Kölner Kabarettis­t Jürgen Becker mit seinem Programm „Volksbegeh­ren“im Kommödchen zu Gast.

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