Rheinische Post Ratingen

Die katholisch­e Kirche schrieb bei Luther ab

Eine Ausstellun­g in der Akademie der Wissenscha­ften und Künste beschäftig­t sich mit den katholisch­en Bibelübers­etzungen.

- VON ELENA ERBRICH

Im September 1522 erschien Martin Luthers Übersetzun­g des Neuen Testaments. Zwei Monate später wurde sie schon verboten. Herzog Georg von Sachsen befahl allen, die Luthers Werk gekauft hatten, es abzugeben. Das Geld sollten sie zurückbeko­mmen, und das war nicht wenig. Eineinhalb Gulden kostete das Buch – viel Geld zu jener Zeit. Dem Herzog war klar, dass das Volk eine deutsche Übersetzun­g wollte, und so beauftragt­e er den Theolo- Holger Strutwolf Institut für neutestame­ntliche Textforsch­ung der Universitä­t Münster gen Hieronymus Emser damit, eine Variante nach katholisch­em Gusto anzufertig­en.

Das tat Emser auch – und schrieb bei Luther ab. Die Ausstellun­g „Plagiat? Luthers Bibelübers­etzung und die katholisch­en Bibelausga­ben der Reformatio­nszeit“in der Akademie der Wissenscha­ften und Künste zeigt Originalau­sgaben und Nachbildun­gen deutscher Bibelübers­etzungen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunder­ts. Auf Schautafel­n und in einer Präsentati­on gibt es Informatio­nen für den Besucher. Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de der Texte kann dieser einfach nachvollzi­ehen. Neben Emsers Werk gab es nämlich noch zwei weitere katholisch­e Bibelausga­ben.

Emsers Übersetzun­g erschien 1527. Als Grundlage nahm er Luthers Übersetzun­g, die auf dem hebräische­n und dem griechisch­en Urtext basierte. „Er korrigiert­e die Fassung nach dem lateinisch­en ,Text der Kirche‘, der sogenannte­n Vulgata“, erklärt Holger Strutwolf vom Institut für neutestame­ntliche Textforsch­ung der Universitä­t Münster. „Emser schrieb über die Übersetzun­g aber nicht seinen Namen. Erst in der zweiten Auflage, die nach seinem Tod 1528 erschien, wurde er als Übersetzer angegeben.“Prompt reagierte Luther. In seinem „Sendbrief vom Dolmetsche­n“aus dem Jahre 1530 bezeichnet­e er Emser als den „Sudler zu Dresden“. „Emser selber ist aber unschuldig“, sagt Strutwolf.

1534 erschien dann eine weitere katholisch­e Bibelausga­be des Dominikane­rs Dietenberg­er. Beim Neuen Testament griff er auf die Ausgabe Emsers zurück und somit auf Luthers Text. Anders als Emser schrieb Dietenberg­er aber seinen Namen auf die Übersetzun­g. 1537 brachte dann Johannes Eck die dritte katholisch­e Bibelausga­be auf den Markt. Er war ein großer Gegner Luthers, griff aber auch auf Emsers Werk zurück und demnach auch auf Luthers Übersetzun­g. Ecks Übersetzun­g gilt als die schlechtes­te der drei katholisch­en Varianten. Das Alte Testament übersetzte er Wort für Wort. Heraus kam ein schwer verständli­cher Text. Luther hingegen hatte eine Übersetzun­g geschaffen, die jeder verstehen konnte. „Er übersetzte nicht Wort für Wort, sondern sinngemäß. Das missfiel der katholisch­en Kirche. Luther wollte, dass jeder die Texte verstehen kann. Er wählte die sächsische Kanzleispr­ache, die wurde überall verstanden“, sagt Strutwolf.

Luther schuf auch viele Wortneusch­öpfungen und fügte Wörter ein. So zum Beispiel im dritten Paulusbrie­f an die Römer. Dort schrieb er: „So halten wir es nu / das der mensch gerechtfer­tigt werde/ on zu tun der werck des gesetzes/ alleyn durch de glawben.“Das Wort „alleyn“steht weder in der griechisch­en Vorlage noch in der Vulgata. „Luther korrigiert­e das. Im Deutschen braucht man dieses Wort zur Verdeutlic­hung“, erklärt Strutwolf.

„Sie wollten Luthers Text auf der Basis der Vulgata korrigiere­n“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany