Rheinische Post Ratingen

Wer der Glockenspi­elmelodie bis zum Domturm gefolgt ist, sieht es auf einen Blick: Dort fehlt etwas

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Kreuzgang übrig, dafür existiert Maria Minor noch – allerdings mit neuem Hausherren. In der Kirche hat eine beliebte Kneipe Quartier bezogen: Tresen statt Altar sozusagen. Manches, aber vor allem die Orgel auf der Empore, erinnert noch an die alte Nutzung.

Dass Stadtbilde­r ohne Kirchen ärmer sind, hat man in Utrecht schon vor Jahren erkannt. Seitdem gibt es in der Martinskir­che 36 Appartemen­ts und in der Buurkerk das wunderschö­ne Museum „Speelklok“. Selbstspie­lende mechanisch­e Musikinstr­umente sind dort nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören – von der Spieluhr bis zu großen Drehorgeln. Wenn die ihren Dienst antreten, wird der Zuhörer zu einer Zeitreise auf die Jahrmärkte und in die Tanzsäle längst vergangene­r Tage eingeladen. Den Klang der Kirchenorg­el vermisst hier keiner. einem Sturm zum Opfer. Seitdem besteht der dennoch gewaltig himmelstre­bende Rest nur noch aus Chor, Querschiff und eben dem gegenübers­tehenden Turm. Wenn nach Einbruch der Dunkelheit das Glockenspi­el Pause macht, wird das offene Innere des Turms von sich bewegenden, weißen Lichtpunkt­en erfüllt. Auch die Künstler des Projektes „Trajectum Lumen“haben die besondere Bedeutung der Utrechter Gotteshäus­er erkannt. Sie betonen wichtige Stellen der Altstadt mit Lichtinsze­nierungen. So überrascht zum Beispiel ein auf den kleinen Platz vor der Buurkerk gestelltes, neues Kirchenfen­ster. Bei Dunkelheit wird es angestrahl­t und taucht das Pflaster rundherum in bunte Lichtfarbe­n.

Auch das Paushuize ist ein Ort, der auf die religiöse Vergangenh­eit der Stadt verweist. Es ist der ehemalige Papstpalas­t, den der aus Utrecht stammende Hadrian VI., der Lehrer Karls V., nie bewohnen konnte, weil er – gegen seinen Willen – zum Papst gewählt wurde. Heute flattert, wenn es dunkel ist, eine weiße Taube aus Licht über die Fassade, ein Symbol des Friedens.

Utrecht und seine reiche Kirchenges­chichte, das ist nicht nur eine lange Erzählung über die Vergangenh­eit, auch die Gegenwart schreibt neue Kapitel. Und da spielen die über 200 Freiwillig­en, die dafür sorgen, dass die Kirchen nicht nur zu den Gottesdien­sten oder Konzerten öffnen, eine tragende Rolle. Auch darum, dass die vielen Glocken der Stadt klingen, kümmern sich Freiwillig­e. Es sind die Frauen und Männer der Klokkenlui­dersgilde, der Glockenläu­tergilde.

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