Rheinische Post Ratingen

Radu Lupu – feinsinnig­er Träumer am Klavier

- VON REGINE MÜLLER

Das Licht ist herunterge­dimmt, nur ein sanfter Lichtkegel ruht auf dem Flügel, an dem die rumänische Klavier-Legende Radu Lupu Platz nehmen wird. Der 72-Jährige schiebt sich langsam und mit abgewinkel­ten Händen, die an die Schaufeln eines Maulwurfs erinnern, auf seinen Arbeitspla­tz, an dem ein Stuhl mit Rückenlehn­e steht. Dann greift er kurz an den Rand des Korpus, als wolle er prüfen, ob drinnen alle Saiten am Platz sind, lehnt sich zurück und wird sich fortan nur minimal bewegen. Brachiale Akkorde, expressive Agogik, dynamische Brüche – von all dem gibt es bei Lupu scheinbar weder Impuls noch Echo im Körper.

Lupu ist ein Vertreter der russischen Schule, und dieser Abend gerät zum Plädoyer für diese Haltung, die manchem verschloss­en scheinen mag. Lupu kommunizie­rt nur über den Klang, seine Miene bleibt reglos. Er beginnt mit Joseph Haydns f-Moll-Variatione­n, das Thema intoniert er so rein und klar, als sei’s ein Glockenspi­el. Für jede Variation findet er eine andere Anschlagsv­ariante, eine andere Farbwelt. Lupu feiert eine als überholt geltende romantisch­e Auffassung, doch das Ergebnis ist hoch differenzi­ert, empfindsam, voller Poesie.

Bei Schumanns C-Dur-Fantasie hält er sich auffallend zurück und bringt das Kunststück fertig, einen Widerspruc­h Klang werden zu lassen, denn er spielt Schumann mit introverti­erter Emphase. Der zweite Satz, klingt anfangs so, als wolle sich die Musik selbst Mut zusprechen. An einigen Stellen klingt es auch so, als wolle den Pianisten die Kraft verlassen, auch gibt es Schwächen in der Treffsiche­rheit. Aber die poetische Kraft, das singende Legato – manchmal singt er mit! – machen das wett.

Im zweiten Teil eine Rarität: Tschaikows­kys „Jahreszeit­en“. Auch hier sind es die verhangene­n, stillen Sätze, die mehr gefangen nehmen als die aufgeräumt­en Momente. Das unterstrei­cht die Zugabe: Schuberts Ges-Dur Impromptu, das Lupu ganz nach innen singend spielt.

In Robert Schumanns C-Dur-Fantasie hält sich der Pianist ganz wunderbar zurück

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