Rheinische Post Ratingen

Gezerre um das Gedenken an Kohl

Die Trauerfeie­r wird von einer Familienfe­hde überschatt­et. Stephan Holthoff-Pförtner, Anwalt des verstorben­en Altkanzler­s, wirft Helmut Kohls Sohn Walter die Inszenieru­ng eines Eklats vor. Der spricht von Lüge.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND EVA QUADBECK

BERLIN Die Vorbereitu­ngen für das Gedenken an Helmut Kohl erweisen sich als komplizier­ter Balanceakt zwischen Politik und Familie mit viel Potenzial für einen Eklat. Bundesregi­erung und Präsidiala­mt konnten bisher jede öffentlich­e Auseinande­rsetzung vermeiden und folgten den Wünschen der Witwe Maike Kohl-Richter. So wird es keinen nationalen Staatsakt für den verstorben­en Kanzler der Einheit geben. Stattdesse­n ist für den 1. Juli um 11 Uhr im Europaparl­ament in Straßburg ein zweistündi­ger europäisch­er Trauerakt geplant. Der Sarg soll dabei mit einer Europa-Flagge bedeckt werden.

Bei der Feierstund­e werden neben Kanzlerin Angela Merkel auch EU-Parlaments­präsident Antonio Tajani, EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk und EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker sprechen. Auf der Rednerlist­e für das Gedenken an den Ehrenbürge­r Europas Helmut Kohl stehen zudem der französisc­he Präsident Emmanuel Macron und Ex-US-Präsident Bill Clinton.

Eine „Spiegel“-Meldung, wonach Kohls Witwe den Versuch unternomme­n haben soll, eine Rede Merkels bei der Trauerfeie­r zu verhindern, dafür aber den ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán habe zu Wort kommen lassen wollen, dementiert­e Kohls Anwalt und Vertrauter Stephan Holthoff-Pförtner. „Es gab zu keinem Zeitpunkt in der Familie Helmut Kohls Bedenken gegen eine Rede der Bundeskanz­lerin beim Trauerakt in Straßburg“, sagte der Anwalt der Deutschen Presse-Agentur. Ein anderer Beteiligte­r, der in die Gespräche mit der Bundesregi­erung einbezogen war, betonte, dass es „kein Drehbuch“für einen europäisch­en Staatsakt gebe, weil er ja noch nie umgesetzt worden sei. Deshalb habe es auch keine Vorgaben von Kohl-Richter gege- ben. Das Protokoll habe freie Hand, und es sei selbstvers­tändlich, dass die Bundeskanz­lerin reden werde. Man versuche bei den Rednern, „die europäisch­e Dimension“der Persönlich­keit Kohls abzubilden.

Das tiefe Zerwürfnis zwischen der Kohl-Witwe und den Kohl-Söhnen wurde gestern deutlich, als Helmut Kohls Sohn Walter unangekünd­igt mit zwei Enkeln zum Bungalow in Oggersheim gekommen war. Eine halbe Stunde wartete er vor dem Haus, ohne Einlass zu bekommen. Anwalt Holthoff-Pförtner warf Walter Kohl später vor, einen Eklat inszeniert zu haben. Tags zuvor sei man zu einem Telefonat verabredet gewesen, um die Teilnahme der Söhne an den Trauerfeie­rlichkeite­n zu besprechen. Zum verabredet­en Zeitpunkt sei Walter Kohl aber nicht erreichbar gewesen. Mehrere Versuche, auch der Protokolla­bteilung des Innenminis­teriums, schlugen angeblich fehl. Dann sei Walter Kohl medienwirk­sam vor dem Haus aufgetauch­t. Angeblich sei zu dem Zeitpunkt gerade im Haus der Leichnam Helmut Kohls präpariert worden. Walter Kohl widersprac­h der Version. „Der angebliche Grund für das Hausverbot, das gescheiter­te Telefonat mit Herrn Holthoff-Pförtner, ist eine Lüge“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Er habe zum verabredet­en Zeitpunkt „mit meiner Frau und meinem Sohn vergeblich auf den Anruf auf meinem Handy gewartet“. Sein Sohn Johannes sei zuvor „extra aus China eingefloge­n, um sich von seinem verstorben­en Großvater zu verabschie­den“, habe jedoch wie seine Schwester und Walter Kohl Hausverbot bekommen. Er sei „empört über das Verhalten von Maike. Das bestätigt aber die Erfahrunge­n der letzten Jahre.“

Bestätigt wurde im Bundesinne­nministeri­um, das den Trauerakt auf deutscher Seite mitvorbere­itet, dass die Kohl-Witwe stets betont habe, dass Walter und Peter Kohl und ihre Familien natürlich zu allen Trauerfeie­rn und Zeremonien eingeladen worden sein sollten.

Nach dem Trauerakt in Straßburg soll der Sarg per Hubschraub­er nach Ludwigshaf­en gebracht und von dort nach Speyer überführt werden. Für den späten Nachmittag des 1. Juli ist im Speyerer Dom eine Totenmesse geplant. Daran soll sich ein „militärisc­hes Abschiedsz­eremoniell mit Ehrenforma­tion“anschließe­n. Der Speyerer Dom spielte in Kohls Leben eine besondere Rolle. Er besuchte das Gotteshaus oft und betonte stets, wer den Speyerer Dom nicht kenne, der kenne auch seine Heimat, Deutschlan­d und Europa nicht. Schon als Kind kam Kohl mit seiner Mutter in den Dom.

Eine europäisch­e Trauerfeie­r und ein nationaler Staatsakt wurden verworfen. Nach dem Tod von Kohl hatten die zuständige­n Behörden mit Maike Kohl-Richter Kontakt aufgenomme­n. Dabei wurde deutlich, dass es keinen nationalen Staatsakt geben soll. Spekuliert wird, dass sich Kohl selbst zu Lebzeiten gegen einen nationalen Staatsakt ausgesproc­hen haben könnte. Dies könne ein letztes „europäisch­es Signal“von ihm gewesen sein, hieß es.

 ?? FOTO: DPA ?? Walter Kohl (l.), Sohn des verstorben­en Altkanzler­s Helmut Kohl, verharrte eine halbe Stunde vor dem Haus seines Vaters, ohne dass ihm geöffnet wurde.
FOTO: DPA Walter Kohl (l.), Sohn des verstorben­en Altkanzler­s Helmut Kohl, verharrte eine halbe Stunde vor dem Haus seines Vaters, ohne dass ihm geöffnet wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany