Rheinische Post Ratingen

Türkei wettert gegen liberale Moschee

Die in Ankara ansässige Religionsb­ehörde Diyanet bezichtigt das Gotteshaus, Teil eines Projekts der Gülen-Bewegung zu sein.

- VON FRANK NORDHAUSEN

ANKARA/BERLIN Das Berliner Projekt einer liberalen Moschee der Anwältin und Frauenrech­tlerin Seyran Ates hat nicht nur in den westlichen Medien ein starkes Echo gefunden, sondern mit kleiner Verzögerun­g nun auch in der muslimisch­en Welt. Gestern kritisiert­en die obersten religiösen Autoritäte­n der Türkei und Ägyptens das Vorhaben in scharfer Form als „unislamisc­h“.

Die staatliche türkische Religionsb­ehörde Diyanet in Ankara schrieb in einer Erklärung, die Berliner Neugründun­g verletze „die Grundsätze unseres heiligen Glaubens“. Ohne diese konkret zu benennen, bezieht sich Diyanet auf „Medienberi­chte“über die Eröffnung der neuen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee am 16. Juni im Berliner Innenstadt­bezirk Moabit. Die Behörde unterstell­t, dass das Moscheepro­jekt die Religion „untergrabe­n und zerstören“solle.

In dem neuen Gotteshaus beten Frauen und Männer nebeneinan­der, während sie in traditione­llen Moscheen getrennt sitzen. Das erste Freitagsge­bet leiteten ein Mann und eine Frau gemeinsam, wobei die Imamin kein Kopftuch trug. Vermutlich sind es diese Merkmale, die in der türkischen Religionsb­ehörde als „unislamisc­h“empfunden werden. Gleichzeit­ig bringt Diyanet die Neugründun­g aber auch mit den mutmaßlich­en Urhebern des gescheiter­ten Militärput­sches vom Juli 2016 in Verbindung. „Es ist klar, dass dies ein Projekt des Religionsu­mbaus ist, das seit vielen Jahren unter der Leitung von Fetö und ähnlichen unheilvoll­en Organisati­onen durchgefüh­rt wird“, teilt Diyanet mit. Fetö ist die amtliche Abkürzung für die Bewegung des Islampredi­gers Fethullah Gülen, den die türkische Regierung für den Putschvers­uch verantwort­lich macht.

Die unterstell­te Gülen-Verbindung geht offensicht­lich auf einen Falschberi­cht des regierungs­nahen türkischen TV-Senders A Haber zurück, der für seine Falschnach­richten berüchtigt ist. A Haber hatte darin ein Bild von Seyran Ates zusammen mit dem Freiburger Islamwisse­nschaftler Abdel-Hakim Ourghi gezeigt, der aber fälschlich­erweise als Ercan Karakoyun, Vorsitzend­er der deutschen Gülen-nahen Stiftung „Dialog und Bildung“, bezeichnet wurde. Karakoyun, der eigenen Angaben zufolge Morddrohun­gen erhalten hat, hatte sich sofort öffentlich von dem Moscheepro­jekt distanzier­t. In einer pluralisti­schen Gesellscha­ft toleriere man aber selbstvers­tändlich so ein Vorhaben, erklärte er.

Dagegen nannte A Haber das Moscheepro­jekt „Verrat“; wieder einmal zeige Deutschlan­d sein „schändlich­es Fetö-Gesicht“. Zahlreiche regierungs­nahe Medien griffen den Bericht sofort auf. „Das ist alles totaler Blödsinn der türkischen Lügenpress­e“, kommentier­te die Frauenrech­tlerin die Berichte gegenüber unserer Redaktion. „Was wir machen, ist der Gülen-Bewe- gung doch ebenfalls zutiefst suspekt. Ich finde es absurd, dass die türkische Regierung auf solche Falschberi­chte anspricht.“A Haber ist nicht einmal davor zurückgesc­hreckt, in dem Fernsehbei­trag zur Illustrati­on einen Koran auf den Boden zu werfen und darauf herumzutra­mpeln. „Das würde ich nie tun, ich bin doch nicht verrückt!“

Auch in der arabischen Welt schlug das Ereignis Wellen. Nach einem ARD-Bericht schrieb die für islamische Rechtsfrag­en zuständige Fatwa-Behörde in Ägypten, Dar al Ifta, in einer Erklärung mit dem Titel „Nein zur Verletzung der religiösen Grundlagen – Nein zur liberalen Moschee“, dass das Gebetshaus unmöglich als Moschee anerkannt werden könne. Auch Dar al Ifta argumentie­rt mit Verstößen gegen das islamische Recht wie zum Beispiel das Gebot für Frauen, beim Gebet ein Kopftuch zu tragen: „Bei Verletzung dieser Vorschrift wird das Gebet ungültig.“Besonders stößt sich die Behörde an der Tatsache, dass Frauen und Männer in der Moschee nebeneinan­der beten.

Seyran Ates sagt, offenbar wirke die bloße Existenz ihres Moscheepro­jekts als Provokatio­n. „Man kann jetzt klar sehen, welche Gesinnung diese offizielle­n Behörden haben. Sie argumentie­ren aus ihrer Machtposit­ion heraus, nicht religiös und inhaltlich, denn sonst müssten sie sich damit auseinande­rsetzen, dass wir zeitgemäß lebenden Muslime uns auch eine zeitgemäße Religiosit­ät wünschen.“

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FOTO: AP Rechtsanwä­ltin Seyran Ates (54) beim ersten Freitagsge­bet zur Eröffnung der liberalen Ibn-Rushd-Moschee in Berlin.

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