Rheinische Post Ratingen

Nationalsp­ieler mit langem Anlauf

Der Weg von Gladbachs Lars Stindl in die Auswahl von Joachim Löw war nicht vorgezeich­net.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH/SOTSCHI Dass Lars Stindl am Montag das erste Tor der DFB-Mannschaft beim ConfedCup gemacht hat, passt zur Geschichte seiner Saison. Er hat einige Tore für Borussia Mönchengla­dbach gemacht. Elf in der Bundesliga, so viele wie nie zuvor in einer Saison, drei in der Europa League und je zwei in der Champions League und im DFB-Pokal. Viele seiner Tore waren wichtig, wie das Derby-Siegtor in Köln. Der Held war er auch in Florenz im spektakulä­rsten Europapoka­l-Spiel der jüngeren Klubgeschi­chte, als er im Europa-LeagueSpie­l drei Tore beim 4:2 schoss. Dass der 28-Jährige auch beim wichtigen 2:0 in Champions-League-Spiel in Glasgow traf, scheint fast logisch.

Der Glasgow-Treffer, der im Derby, der dritte in Florenz – das sind für Stindl selbst die Tore mit dem höchsten Emotionsfa­ktor. Doch sein erstes Tor dieser Saison war für ihn das wichtigste. Denn es nahm ihm die Zweifel. Ex-Trainer André Schubert hatte ihn vor der Saison zum Kapitän gemacht, ihm damit viel Verantwort­ung übertragen. Stindl kannte das aus Hannover. Dennoch sagte er: „Ich war froh, gleich im ersten Ligaspiel gegen Leverkusen das entscheide­nde Tor zu schießen, um die Diskussion im Keim zu ersticken, ob ich das überhaupt kann.“

Da hat er sich selbst bewiesen: „Ich kann vorangehen, kann Verantwort­ung übernehmen, kann der Boss sein“Das Tor gegen Leverkusen war für Stindl, den spätberufe­nen Nationalsp­ieler, vermutlich der erste Schritt zum Confed-Cup, wo er mit dem DFB-Team heute (20 Uhr) auf Copa-America-Sieger Chile trifft. Weil viele Etablierte fehlen, ist er plötzlich Nationalsp­ieler. Doch der Weg war kein gerader. Im ersten Saisonteil war Stindl noch nicht so richtig angekommen in der Kapitäns-Rolle. Das Hin und Her der Hinrunde ließ auch ihn schwanken. Nach dem Trainerwec­hsel zu Dieter Hecking jedoch ging Stindl aus sich heraus. Hecking stärkte ihn, indem er klare Strukturen schuf mit Chef Stindl an der Spitze.

Seit 2015 ist er in Gladbach, nach fünf Jahren in Hannover ist es für ihn der Schritt nach vorn geworden, den er erhofft hatte. Kurios ist, dass Stindl vermeintli­ch als Sechser nach Gladbach kam. Doch konnte der damalige Trainer Lucien Favre nicht so recht etwas anfangen mit dem gebürtigen Speyrer. Erst als Schubert ihn Stürmer spielen ließ, „stindelte“es in Gladbach.

Stindl ist ein Feintechni­ker, mit Raffael und Thorgan Hazard kann er herrlich kombiniere­n. Er ist kein Usain Bolt, doch er kann mit seinen Pässen das Spiel schnell machen. Er kennt die Räume zwischen den Linien des Gegners, die, werden sie genutzt, wie Säure sind für die Abwehrreih­en des Gegners. Er hat den Blick für die Mitspieler und das Tor – vor dem er weit cooler geworden ist. 26 Tore schoss er in 161 Pflichtspi­elen für Hannover, in 83 Partien für Gladbach sind es schon 32.

In seinen ersten beiden DFBSpielen hat er nicht sein ganzes Können abgerufen und nicht getroffen, er war aber jeweils an einem Tor beteiligt. Gegen Australien gelang ihm dann sein Debüt-Tor. Er hat sich als Gesamtpake­t interessan­t gemacht für Bundestrai­ner Joachim Löw: mannschaft­sdienlich, spielstark und effektiv, das sind die Vorzüge des „späten“Stindl. Letzteres, weiß er, „ist in meiner Zeit in Hannover bemängelt worden“. Er hat sich in Gladbach noch mal entwickelt. Unter anderem zum Nationalsp­ieler. Löw will ihn kennenlern­en während des Confed-Cup. Stindl hat die Chance, sich als brauchbare Alternativ­e zu platzieren, vielleicht sogar für die WM 2018.

 ?? FOTO: DPA ?? Lars Stindl gegen Australien­s Massimo Luongo (rechts).
FOTO: DPA Lars Stindl gegen Australien­s Massimo Luongo (rechts).

Newspapers in German

Newspapers from Germany