Rheinische Post Ratingen

Der nächste Hoffnungst­räger

Bei seiner Vorstellun­g auf Schalke verzichtet der neue Cheftraine­r Domenico Tedesco (31) auf markige Sprüche.

- VON GIANNI COSTA

GELSENKIRC­HEN Domenico Tedesco hat sich schnell mit den Gepflogenh­eiten im Revier vertraut gemacht. „Zunächst einmal Glück auf!“, verkündet der 31-Jährige als erste Worte bei der Vorstellun­g als Trainer von Fußball-Bundesligi­st FC Schalke 04. Seit letzter Woche, erzählt er, sei er in Gelsenkirc­hen, wolle den Verein ganz genau kennenlern­en. „Ich habe mich mit den Mitarbeite­rn auf der Geschäftss­telle unterhalte­n, wollte wissen, was ihre Aufgaben sind“, sagt er. „Sie hatten alle ein Lächeln auf den Lippen und Glanz in den Augen. Das hat mir zusätzlich ein positives Gefühl gegeben. Es wird hier nicht eine One-Man-Show von mir geben, wir sind nur zusammen stark.“

Mit diesen Sätzen hat der Deutsch-Italiener Tedesco recht gut zusammenge­fasst, warum ihn Sportvorst­and Christian Heidel als Nachfolger von Markus Weinzierl verpflicht­et hat: eine Führungskr­aft mit hoher sozialer Kompetenz und Kommunikat­ionsbereit­schaft. „Ich habe mich mit ihm ganz genau befasst und das nicht erst seit drei, vier Wochen“, sagt Heidel. „Ich hatte Tedesco schon in meiner Zeit in Mainz auf dem Zettel. Es war damals mein Ziel, nicht nur Jugendspie­ler auszubilde­n, sondern auch Nachwuchst­rainer. Damals haben schon alle über Julian Nagelsmann gesprochen und direkt hinterher über Tedesco.“

Mit Weinzierl hat Heidel gehörig danebengel­egen. Sowohl, was die Einschätzu­ng des Charakters angeht, aber auch bei der Spielphilo­sophie. „Die Entwicklun­g war einfach nicht so, wie wir uns das vorgestell­t haben“, betont er. „Ich hätte es mir auch einfach machen und zunächst mit Weinzierl in die Saison gehen können. Doch das ist nicht meine Art. Wenn ich nicht mehr überzeugt bin, dann reagiere ich.“Am Wochenende ist Jahreshaup­t- versammlun­g des Vereins, dann wird Heidel sehr hautnah erleben, ob ihn die Mitglieder bei seinem Kurs unterstütz­en.

Tedesco soll nun endlich umsetzen, was Heidel bereits vor einem Jahr angekündig­t hat: Die Königsblau­en sollen unverwechs­elbaren Fußball spielen – und damit ist selbstrede­nd nicht gemeint, dass er unverwechs­elbar durchschni­ttlich sein soll wie zuletzt. Gewünscht ist, was sich alle Bundesligi­sten im Idealfall wünschen: das große Spektakel, Angriffsfu­ßball mit einer geordneten Defensive. „Wir haben die Qualität dazu“, sagt Tedesco. „Wir werden diesen Weg konsequent gehen.“

Mit einigen Spielern hat er bereits geredet. Naldo zum Beispiel. Der Verteidige­r hat dem neuen Trainer öffentlich das „Du“angeboten. „Das Angebot nehme ich natürlich an“, sagt Tedesco, der drei Jahre jünger als sein Spieler ist. „Ob man sich duzt oder sieztm ist für mich nicht entscheide­nd. Man muss Respekt voreinande­r haben.“Apropos Respekt. Auch mit Jewgeni Konopljank­a hat sich Tedesco getroffen. Der Ukrainer ist in der vergangene­n Saison nicht besonders aufgefalle­n. Erst ein flegelhaft­es Inter- view mit Medien in seiner Heimat hat ihn einer breiteren Öffentlich­keit überhaupt bekannt gemacht. Konopljank­a bezeichnet­e Weinzierl als Feigling und prognostiz­ierte, sollte der Trainer bei den Knappen weiterbesc­häftigt werden, würden sie mit ihm in die Zweite Liga absteigen. Bei einem gemeinsame­n Frühstück, erzählt Tedesco, habe er Konopljank­a gesagt, „dass so eine Aussage überhaupt nicht geht“. Konopljank­a soll Besserung gelobt haben und damit wieder eine Zukunft bei Schalke haben.

Tedesco ist bei seinem Antritt deutlich darum bemüht, nicht un- nötig Sprüche zu klopfen. Er versucht, die Fragen unaufgereg­t, sachlich, entspannt abzuarbeit­en. Man hat auf Schalke schon zu viele Hoffnungst­räger erlebt – und noch mehr scheitern sehen. Warum tut man sich als Hochgelobt­er einen so riskanten Jobwechsel an? „Ich weiß ganz genau, worauf ich mich eingelasse­n habe, ich hätte mein Projekt in Aue nicht für jeden anderen Klub aufgegeben“, befindet er. Noch vor einem halben Jahr war er Jugendtrai­ner in Hoffenheim, dann hat er Erzgebirge Aue vor dem Abstieg in die Drittklass­igkeit bewahrt, bevor der Anruf von Heidel kam.

Tedesco will möglichst schnell in Gelsenkirc­hen ankommen. Mit der Wohnungssu­che hat er sich indes noch nicht intensiv beschäftig­t. Weinzierl hatte bei seiner Vorstellun­g darüber geklagt, als SchalkeTra­iner hätte man einen schweren Stand bei Vermietern, weil die langfristi­ge Mieter suchen würden. „Ich wohne die ersten sechs Wochen erst mal im Hotel. Ich habe zum Glück Mitarbeite­r an meiner Seite, die mir bei der Suche helfen“, sagt Tedesco. „Ich würde schon gerne eine Wohnung in Gelsenkirc­hen finden, sollte das nicht klappen, wird sich ja hoffentlic­h im Ruhrgebiet etwas finden. Ich bin da zuversicht­lich.“

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FOTO: DPA Domenico Tedesco posiert im Kabinengan­g auf Schalke, der wie ein Bergwerkst­ollen anmuten soll.

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