Rheinische Post Ratingen

Aerosmith arbeitet fast 50 Jahre Rockgeschi­chte ab

- VON MARKUS BALSER

KÖLN Ventilator­en und Verstärker waren bis zum Anschlag aufgedreht, als sich eine der großen Bands der Rockgeschi­chte von ihrem Publikum verabschie­dete. Aerosmith, seit den 1970er Jahren eine amerikanis­che Institutio­n, will in Rente gehen. Das letzte Konzert in Deutschlan­d fand in Köln statt.

Die Band gehört noch zur alten Schule. In Köln gibt es auf der Bühne jede Menge Glitzer, knallenge Hosen und große Posen. Sänger Steven Tyler tritt mit einem aufgemalte­n Kussmund auf den Wangen auf. 20 Minuten braucht er, bis er sich endlich von seiner Sonnenbril­le trennt. Sein Gitarrist Joe Perry mag darauf bis kurz vor Ende des Konzertes nicht verzichten. Überhaupt ist es eine Zwei-Mann-Show, die Aerosmith ausmacht. Tyler und Perry haben die fast ausverkauf­te Lanxess-Arena im Griff. Der Rest der Gruppe bleibt dezent im Hintergrun­d. Es rumpelt und knarzt manchmal. Nicht immer ist alles sauber auf den Punkt gespielt, aber das ist eben Rock’n’Roll.

Tyler (69) ist stimmlich in guter Form. Die hohen Töne trifft er problemlos, seine Ohs und Ahs setzt er mit Effekt. Er tänzelt divenhaft über die Bühne und braucht nur wenige Gesten, um das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Sein Kumpel Perry ist die zweite Attraktion der Band. Der 67-Jährige, der seine Mähne unter einem albernen Filzhut versteckt, schießt knackige Riffs aus seinen zahllosen Gitarren, wie es Keith Richards nicht besser könnte.

Die Songauswah­l überrascht. Natürlich werden auch die Hits gespielt, die der Band in den späten 1980er Jahren Millionen verkaufter Platten bescherten. Aber jedesmal wenn Titel wie „Love in an Elevator“oder „Janie’s Got a Gun“gerade verstummt sind, packt Perry sofort die schwere Bluesgitar­re aus. Es gibt Coverversi­onen von Fleetwood Mac und den Beatles. „Come Together“ist einer der Höhepunkte des Konzertabe­nds.

Der wird mit den vielleicht zwei besten Titeln der Band beschlosse­n. Bei „Dream On“, ein Song, der Led Zeppelins „Stairway to Heaven“in nichts nachsteht, bearbeitet Steven Tyler in einer rabenflüge­lähnlichen Fransenjac­ke einen weißen Konzertflü­gel. Und bei „Walk This Way“werden noch einmal alle GitarrenRe­gister gezogen. Dann ist Schluss, das letzte Deutschlan­dkonzert vorbei. Fast 50 Jahre Rockgeschi­chte sind schweißtre­ibend abgearbeit­et worden. Das Beste: Es war nicht peinlich, es hat Spaß gemacht.

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