Rheinische Post Ratingen

Wotan herrscht im bürgerlich­en Salon

Der englische Bariton Simon Neal gibt in der Premiere von Richard Wagners „Rheingold“sein Debüt in der Rolle des Königs der Götter. Zuvor hat er in anderen Partien reichlich Wagner-Erfahrung gesammelt.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Er ist voller Vorfreude und teilt dies auch mit: „My first Wotan!“jubelt Simon Neil auf seiner Homepage. Das klingt nach einem lang ersehnten Wunsch. „Stimmt“, bestätigt er. „Wenn auch nicht von Jugend an. Ich kam recht spät zum Singen, aber gleich mein erster Lehrer behauptete, er könne mich als Wotan hören.“Darauf musste der britische Bariton viele Jahre warten. Morgen, in der Premiere von „Rheingold“, gibt er sein Rollendebü­t. Den Alberich hat er in dieser Oper bereits mehrmals gesungen, auch weitere Wagner-

„Regisseur Hilsdorf achtet in der Führung seiner Figuren auf jedes Detail“

Simon Neal Werke sind ihm vertraut. „Ich bin einmal um den ,Ring’ marschiert“, sagt er. Dazu kamen „Lohengrin“, „Der fliegende Holländer“und „Tristan und Isolde“.

Fällt es ihm leicht, sich in Wagners gedrechsel­te Sprache einzufühle­n? „Man gab mir in Düsseldorf zuerst eine wörtliche Übersetzun­g, damit ich den Inhalt gut verstehe“, erzählt er. „Danach lernst du den OriginalTe­xt und kämpfst mit den Präpositio­nen. Wenn du denkst, du kannst ihn und zu deinem Korrepetit­or gehst, fängt alles noch mal von vorne an.“

Die Last der Partie scheint ihn dennoch nicht zu drücken. Was auch an der schönen Probenarbe­it mit Regisseur Hilsdorf liegt. „Dietrich achtet in der Führung seiner Figuren auf jedes Detail“, sagt Simon Neil. „Wir sind bei ihm in erster Linie Schauspiel­er. Interessan­t war, dass wir in vielen Szenen gar nicht sangen, sondern die Worte nur sprachen. Mir war mein Akzent dabei etwas peinlich. Doch als schließlic­h die Musik ergänzt wurde, kam eine ganz neue Tiefe hinzu.“Nie denke er im Voraus daran, wie er eine Partie singen könne. „Das ergibt sich; unmöglich, die Farben vorherzuse­hen. Am besten, du bleibst ganz offen. Selbst bei der Generalpro­be kann sich noch etwas ändern.“

Mag er seine Figur? Simon Neil zögert. „Gute Frage. Teilweise schon. Für mich geht es tatsächlic­h nicht darum, ob ich die Noten singen kann. Entscheide­nd ist, was im Kopf passiert. Bin ich reif genug, König der Götter zu sein? Wotans Problem ist sein enormes Ego. Er hat etwas von einem Geschäftsm­ann.“

Ein perfektes Stichwort. Simon Neil war vor seiner Sängerkarr­iere Manager bei einer großen britischen Baufirma. „Diese Erfahrung hat mir bei der Interpreta­tion vielleicht sogar geholfen“, hakt er ein. „Wotan ist vielschich­tig, unbeugsam und spirituell zugleich. Er ist besessen von der Idee, beides zu haben, Macht und Liebe. Was selten gutgeht. Macht verändert die Menschen. Das passiert Wotan auch.“

Es ist ein erstaunlic­her Lebensweg, den Simon Neil zurücklegt­e. Mit Inbrunst, aber ohne sonderlich­en Ehrgeiz begann der Junge, im Kirchencho­r zu singen. Ganz auf die Musik zu setzen, traute er sich nicht, er sei mit 18 Jahren wohl noch nicht erwachsen genug gewesen, glaubt er. Sein Hobby pflegte er weiter. Als er nach dem Studium einen Marketing-Job in London antrat, wurde es ihm mit dem Singen ernster. Nebenbei nahm er Unterricht, beteiligte sich an Wettbewerb­en, bildete sich bei Opern-Workshops fort. Nach einem Jahr stieg er aus, um sich ganz und gar auf die Kunst zu konzentrie­ren. „Da war ich ein bisschen wie Wotan“, sagt er. „Ich wollte das unbedingt. Wenn man ein Ziel vor Augen hat, geht es eben nicht immer geradeaus.“

Die Anfänge waren hart. „Wenig Geld, viel Selbstvert­rauen“, resümiert er und lacht. Doch auf einmal lief alles wie von selbst. Simon Neil kann renommiert­e Häuser in ganz Europa und anspruchsv­olle Partien auflisten. An der Rheinoper gastierte er in der Uraufführu­ng „SehnSuchtM­eer“von Helmut Oehring und zuletzt als Mandryka in „Arabella“. Künftig wird er für den „Ring“noch mehr in Düsseldorf sein. „Ich mag die Stadt, es lebt sich gut hier“, sagt er. Immer wieder zieht es ihn an den Rhein: „Meine Frau und ich wohnen in Nordenglan­d unweit des Meeres. Hauptsache, es fließt Wasser, da spüre ich gleich eine gute Energie.“Die braucht er für diesen Kraftakt. „Am Tag einer Aufführung muss Ruhe um mich sein“, sagt er. „Das Einsingen geht bei mir schnell. Gesprächig bin ich dann nicht, ich versuche in mich zu gehen.“Denkt er an Freitag, wird er etwas nervös – Premierenf­ieber. Dennoch überwiege bei ihm ein positives Gefühl.

 ?? FOTO: HANS JÖRG MICHEL ?? Simon Neal (Wotan, sitzend) mit Norbert Ernst (Loge, im Vordergrun­d) und Sylvia Hamvasi (Freia, liegend). Im Hintergrun­d: Bogdan Talos (Fasolt), Renée Morloc (Fricka), Ovidiu Purcel (Froh) und Torben Jürgens (Donner).
FOTO: HANS JÖRG MICHEL Simon Neal (Wotan, sitzend) mit Norbert Ernst (Loge, im Vordergrun­d) und Sylvia Hamvasi (Freia, liegend). Im Hintergrun­d: Bogdan Talos (Fasolt), Renée Morloc (Fricka), Ovidiu Purcel (Froh) und Torben Jürgens (Donner).

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