Rheinische Post Ratingen

Immer feste druff auf die Amerikaner?

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Neulich dieses Pingpong im Café über die Gebäckthek­e hinweg: „Haben Sie Amerikaner?“, fragte die Kundin. „Nein“, antwortete die Verkäuferi­n, „Amerikaner führen wir nicht, haben uns spezialisi­ert auf Französisc­hes, Croissants und so.“Ein zweiter Kunde schaltete sich ein: „Amerikaner, nein, geht nicht mehr.“Die politische Anspielung war angekommen: „Verstehe, wegen Donald“, sagte die Verkäuferi­n. Man schmunzelt­e. Ich dachte mir: deutsche Dreieinigk­eit in harmlosem Antiamerik­anismus. Oder?

Was, wenn die Alltagssze­ne tiefer blicken lässt in die deutsche Seele, wenn also dem Amerikaner, ob in gebackener Form oder in Menschenge­stalt, in deutschen Landen die Freundscha­ft gekündigt wird? Ist womöglich der im Auftreten uns so absonderli­ch vorkommend­e 45. Präsident der USA nur der gar nicht so unwillkomm­ene Anlass dafür, der politisch und kulturell stärker empfunde-

Eine alte deutsche Mode in neuer Verkleidun­g: In Zeiten von Trump scheint Antiamerik­anismus auch unter Nicht-Links- und Rechtsradi­kalen zeitgemäß zu sein.

nen Entfremdun­g endlich die Trennungst­at folgen zu lassen? Schon immer traf sich die deutsche extreme Linke mit germanisch­en Rechtsauße­n in ihrem kollektive­n Pfui zu transatlan­tischer Partnersch­aft. Zu dumm aus linksradik­aler Sicht, dass es Amerikazus­ammenmitVe­rbündetenw­ar, das uns von der NS-Schreckens­herrschaft befreit hat. Deutsche Linksradik­ale hätten sich lieber nicht vom westlichen Klassenfei­nd befreien lassen, vielmehr Väterchen Stalin bevorzugt, den Genossen mit der richtigen Weltanscha­uung. Es gab noch lange nach der Wende unter ostdeutsch­en Linksradik­alen „Staliniste­n“, welche die unglaublic­hen Verbrechen ihres Idols ausblendet­en und statt dessen lieber unter Absingen der „Internatio­nale“den US-Kapitalism­us und -Imperialis­mus regelmäßig symbolisch zu Grabe trugen.

Rechtsradi­kale, also nationale Sozialiste­n, ließen sich da ungern übertreffe­n in ihrer Abscheu vor dem Mischvolk, das doch tatsächlic­h den wirtschaft­lich und politisch mächtigste­n Staat der Erde zustande gebracht hat.

DeutscheBi­ldungsbürg­er,politisch und gedanklich meilenweit weg von den fiesen Rändern links und rechts, mäkelten stets gerne vor ihren Bücherwänd­en über die „Amis“mit ihren seltsam massentaug­lichen Gebräuchen. Auch für diese Vornehmen (Vornehmtue­nden?) ist Donald Trump der fleischgew­ordene Beleg dafür, dass Anti-Amerikanis­mus zeitgemäß ist. Dabei ist er politisch, ökonomisch, kulturell so blöde wie fast alle „Ismen“. Wie tröstlich, dass ich vor kurzem von einem jüngeren Deutschen nach dessen Urlaub in der Neuen Welt dankbare und frohe Zeilen darüber las. Kritisiere­n wir Trump, aber bleiben wir deutsche Europäer Amerikafre­undschaftl­ichverbund­en. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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