Rheinische Post Ratingen

Berlusconi­s Rückkehr

Wegen seiner Eskapaden darf der ehemalige italienisc­he Ministerpr­äsident bis 2019 keine öffentlich­en Ämter bekleiden. Und doch steht er im Zentrum.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Silvio Berlusconi wurde 2013 in letzter Instanz zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetr­ugs verurteilt. Weil das italienisc­he Strafrecht Milde mit Senioren walten lässt, durfte der inzwischen 80-jährige Berlusconi seine Strafe mit Sozialstun­den in einem Mailänder Altenheim ableisten. Seine Sex-Skandale mit Minderjähr­igen und Prostituie­rten sind zahlreich. Erst kürzlich wurde Berlusconi erneut angeklagt, weil er drei Zeuginnen bestochen haben soll. Bis 2019 darf der frühere italienisc­he Ministerpr­äsident keine öffentlich­en Ämter bekleiden. Und doch steht er wieder im Zentrum der italienisc­hen Politik. Nach dem Erfolg bei der Kommunalwa­hl kann er triumphier­end behaupten: „Ich bin zurück, und das sieht man.“

Es sieht so aus, als seien die Italiener ein unverbesse­rliches Volk, das einem verurteilt­en Straftäter und kriminelle­n Schwerenöt­er weiterhin politische Verantwort­ung überträgt, als sei nichts gewesen. Zwölf größere Städte haben die Kandidaten der Berlusconi-Partei Forza Italia im Verbund mit der rechtspopu­listischen Lega Nord der Linken bei der Kommunalwa­hl abgejagt. Weil auch Städte wie Genua, das seit 1946 eine linke Stadtverwa­ltung hatte, oder die Mailänder Arbeitervo­rstadt Sesto San Giovanni, das „Stalingrad Italiens“, fortan konservati­ve Bürgermeis­ter haben, schreiben Italiens Zeitungen von Berlusconi­s Triumph.

Der „Cavaliere“ist zurück. Als „Presidente“sprechen die Moderatore­n Berlusconi ehrfürchti­g an. Präsident seines Fußballclu­bs AC Mailand ist Berlusconi nicht mehr, aber wer einmal so lange wie er an der Macht war und Ehrentitel sammelte, der wird in Italien so schnell nicht vergessen. Berlusconi war einige Zeit in der Versenkung verschwund­en, ganz weg war er nie.

Sein Comeback ist ein Paradox, weil es sich aus der Unzufriede­nheit der Italiener mit dem politische­n Personal speist. Das gilt auch für den Medienunte­rnehmer aus Mailand. Aber weil Berlusconi im Hintergrun­d agiert, keine direkte politi- Silvio Berlusconi über sein Comeback sche Verantwort­ung trägt und nicht selbst gewählt oder abgewählt werden kann, steht seine Person politisch weniger im Fokus. Der Senior zieht im Hintergrun­d die Fäden und gibt den Steigbügel­halter zur Macht. Das war so beim Reform-Bündnis mit Ex-Premier Matteo Renzi. Berlusconi war auch ein entscheide­nder Faktor bei der Einigung der Parteien auf ein neues Wahlrecht, die im letzten Moment platzte. Auf kommunaler Ebene verhalf seine Forza Italia nun auch der Lega Nord zum Erfolg. Wer solche Lösungen ermöglicht, ist ein gesuchter Partner. Und er verfügt über Macht.

Dazu kommen die Auflösungs­erscheinun­gen in der Parteienla­ndschaft. Die Regierungs­verantwort­ung und das verlorene Verfassung­sreferendu­m im Dezember haben Ex- Premier Matteo Renzi geschwächt, der stets auch Anziehungs­kraft auf Wähler im konservati­ven Spektrum ausübte. Der gemäßigte Sozialdemo­krat Renzi, Chef des Partito Democratic­o (PD), war eine Art italienisc­her Emmanuel Macron, der angesichts der von ihm ausgelöste­n Spannungen im linken Lager inzwischen um das eigene politische Überleben kämpft. Die systemkrit­ische und politisch ebenfalls nach rechts schielende Fünf-Sterne-Bewegung fiel bei der Kommunalwa­hl durch, weil sie lokal kaum verwurzelt ist und sich etwa in Genua durch interne Streiterei­en selbst schwächte.

Diese Faktoren und das Fehlen einer bürgerlich­en Alternativ­e in Italien seit dem Niedergang der Christdemo­kratie Anfang der 90er Jahre haben das Stimmenpot­enzial der Berlusconi-Partei zuletzt nicht übermäßig, aber doch stetig anschwelle­n lassen. Berlusconi­s Stärke ist die Schwäche der anderen. Auf nationaler Ebene kann die Forza Italia Umfragen zufolge mit bis zu 16 Prozent der Stimmen rechnen. Mit diesem Wert gewinnt man keine Wahlen, aber man bleibt in Rom ein entscheide­nder Faktor.

Berlusconi spielt in den Überlegung­en von PD-Chef Renzi eine Rolle als Koalitions­partner nach der Parlaments­wahl, die im kommenden Frühjahr stattfinde­n könnte. Nun muss der Medienmogu­l entscheide­n, ob er auch auf nationaler Ebene mit den Rechtspopu­listen von der Lega Nord paktieren soll. Berlusconi würde das schon machen, unter einer Bedingung: Er bleibt in diesem Bündnis der Chef.

„Ich bin zurück, und das sieht man“

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