Rheinische Post Ratingen

Das hat die Ehe nicht verdient

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Eigentlich müssten wir uns doch freuen. Seit Jahren beklagen wir, dass immer weniger Menschen heiraten, seit Jahren unternehme­n wir manches, um Menschen zu einem verbindlic­hen „Ja“zueinander zu bewegen, „bis dass der Tod euch scheidet“, wie es übrigens nach wie vor auch auf dem Standesamt heißt. Mit zugegeben mäßigem Erfolg. Gleichzeit­ig sind die Scheidungs­zahlen weiter hoch; die Zahl der Kinder, die aus Ehen hervorgehe­n, stagniert ebenfalls, ganz egal, was wir auch machen. Unsere Erfahrung zeigt: Schimpfen, Jammern und Klagen hilft nicht, aber auch freundlich­e Ermutigung­en haben das „Ja“zur Ehe nicht wirklich attraktive­r gemacht.

Also müssten wir uns wirklich freuen, dass jetzt – zwischen Sommerloch und Wahlkampf – die Bundesrepu­blik Deutschlan­d, allen voran der Bundestag, die Ehe für sich entdeckt, und zwar für alle. Plötzlich sieht es so aus, als wäre die Ehe das einzig wirklich Erstrebens­werte, als wäre man nur dafür Jahr für Jahr zur Christophe­r-Street-Day-Parade auf die Straße gegangen.

Doch worum geht es? Die Verfasser des Grundgeset­zes haben die Ehe in das Grundgeset­z aufgenomme­n, weil sie die schützen wollten, die als Mütter und Väter Kindern das Leben schenken wollen. Wird jetzt vor allem der Schutz von Bezie- hungen und die Übernahme der Verantwort­ung füreinande­r als Begründung für die Öffnung der Ehe vorgebrach­t, so bedeutet dies eine wesentlich­e inhaltlich­e Umgewichtu­ng und eine Verwässeru­ng des klassische­n Ehebegriff­s.

Wenn Umfragen durchgefüh­rt werden, ob Menschen generell für die Unterstütz­ung verbindlic­her menschlich­er Beziehunge­n sind, werden die zustimmend­en Antworten als Bestätigun­g für die Veränderun­g des Ehebegriff­s gewertet. Das aber ist Nebelwerfe­rei, die die eigentlich­e inhaltlich­e Verschiebu­ng Erzbischof Heiner Koch über die Ehe für alle verschleie­rn will. Nur so ist es übrigens auch zu erklären, dass viele der sogenannte­n 68er, die jetzt in Lobbygrupp­en, aber auch im Parlament politische Entscheidu­ngen prägen, eine Kehrtwende vollzogen haben: Kämpften sie bislang gegen das lebensfein­dliche Auslaufmod­ell Ehe, so gehören sie nun zu den glühenden Verfechter­n der Ehe für alle als Lösung für alle Fragen von Gleichbere­chtigung, Verbindlic­hkeit und Zusammenha­lt, als das Ende der Diskrimini­erung.

Die Debatte im Bundestag sah zwar weitgehend von persönlich­en Verunglimp­fungen ab, betonte auch den Respekt vor der Gewissense­ntscheidun­g, das gesamte Verfahren hat mich aber vor allem wegen der Verzweckun­g aus wahlkampft­aktischen Gründen enttäuscht. Ein hektisches Durchpeits­chen kurz vor Ende der Legislatur­periode wird dem Thema und dem Gewicht, das Ehe und Familie für uns haben, nicht gerecht. Das hat die Ehe nicht verdient.

Wir sind als katholisch­e Kirche in der Frage nach der Gleichstel­lung gleichgesc­hlechtlich­er Partnersch­aften mit der Ehe zwischen Mann und Frau auch nach unserer Position gefragt worden. Die sehen wir ganz in der Linie des Grundgeset­zes, das nach unserer Auslegung der Ehe eine besondere Bedeutung gab, weil es in ihr den Ort sieht, Kindern aus dieser Ehe heraus Leben und eine dauerhafte Heimat zu geben. Wer diese Definition ändern will, muss liefern. Offen ist für mich auch die Frage, wie der Staat Verbindlic­hkeit in menschlich­en Beziehunge­n politisch stärken soll.

Grünen-Politiker Volker Beck beruft sich im Reformatio­nsjahr auf Martin Luther, für den die Ehe bekanntlic­h ein „weltlich Ding“war. Wenn evangelisc­he Landeskirc­hen schon jetzt gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften in der Kirche vor dem Altar wie eine Trauung behandeln, ist das nicht wirklich weltlich, sondern entspricht dem Wunsch der Paare nach einer sehr geistliche­n Bestätigun­g und Segnung ihrer Liebe. Wenn mit dem Verweis auf das „weltlich Ding“gemeint ist, dass die Ehe für uns ein Sakrament ist und für die evangelisc­he Kirche nicht, wenn damit gemeint ist, dass wir uns an dieser Stelle ökumenisch nicht wirklich einig sind, weder theologisc­h noch praktisch, stimme ich dem zu. Aber ein „weltlich Ding“? Für die katholisch­e Kirche will ich daran erinnern, dass der sakramenta­le Charakter unseres Eheverstän­dnisses von der Entscheidu­ng im Deutschen Bundestag unberührt bleibt.

Dass wir in Deutschlan­d schon seit Bismarck eine Unterschei­dung zwischen der Zivilehe und der kirchliche­n Trauung haben, ist richtig, und dahinter will auch niemand zurück. Dass wir uns als Kirche nicht einmischen, wenn der Staat seine Angelegenh­eiten regelt, bestreiten wir auch nicht. Und es versteht sich von selbst, dass wir uns aus parteipoli­tischen und wahlkampft­aktischen Überlegung­en raushalten. Aber den Anspruch, mich politisch zu äußern, werde ich nicht aufgeben – weder für mich als Bischof noch für die vielen, die sich als katholisch­e Christen für das Zusammenle­ben in unserer Gesellscha­ft einsetzen. Dazu gehört auch das Engagement gegen jegliche Form von Diskrimini­erung, sei es wegen des Geschlecht­s, der Herkunft oder der sexuellen Orientieru­ng. Gerade in der jetzt geführten Debatte wäre es ein Missverstä­ndnis, die hervorgeho­bene Rechtsstel­lung der Ehe und ihren bleibenden besonderen Schutz als Diskrimini­erung homosexuel­l veranlagte­r Männer und Frauen zu verstehen. Als Kirche haben wir Respekt für jene gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aften, in denen über viele Jahre hinweg gegenseiti­ge Verantwort­ung und Fürsorge übernommen wird.

Als katholisch­e Kirche werden wir uns nun verstärkt der Herausford­erung stellen, die Lebenskraf­t des katholisch­en Eheverstän­dnisses, wie es auch Papst Franziskus immer wieder klar benennt, überzeugen­d zu verdeutlic­hen und in der Öffentlich­keit einladend zu vertreten.

„Die Ehe zwischen Mann und Frau hat eine besondere Bedeutung“

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FOTO: DPA Der Berliner Erzbischof Heiner Koch (63) ist Vorsitzend­er der Familienko­mmission der Bischofsko­nferenz.

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