Rheinische Post Ratingen

Die Zukunft ist aus Bambus

Aus dem holzähnlic­hen Gras werden immer mehr Produkte gefertigt – vom Fahrrad übers Kleid bis zum Toilettenp­apier. Jetzt wollen Forscher sogar moderne Häuser aus dem Werkstoff bauen.

- VON MILENA REIMANN

DÜSSELDORF Es wächst und wächst und wächst und wächst. Dieses große, grüne Gras, das viele für Holz halten und das den Namen Bambus trägt. „Rohstoff der Zukunft“nennen es hingegen Leute, die es wissen müssen. Ein Holztechni­ker zum Beispiel, ein Architektu­rprofessor und die vielen Unternehme­r, die derzeit die unterschie­dlichsten Produkte aus Bambus auf den Markt bringen – vom spülmaschi­nenfesten Geschirr über Kleidung bis hin zu Klopapier und Fahrrädern.

Der Hype um das pflanzlich­e Material kommt nicht von ungefähr. Bambus bietet den Forschern und Hersteller­n viele nützliche Eigenschaf­ten. Zahnbürste­nherstelle­r wie Hydrophil oder Bambuslieb­e berufen sich zum Beispiel auf die antibakter­iellen Eigenschaf­ten des Grases. My Boo hingegen nutzt die Stabilität und das geringe Gewicht der Bambusrohr­e für die Fahrradher­stellung. Für den Toilettenp­apierherst­eller Smooth Panda ist wichtig, dass Bambus pro Kilo mehr Zellstoff als Holz enthält, weil es dichter wächst. Holztechni­ker der Fachhochsc­hule Eberswalde wollen nun auch einen Rollator aus dem Gras bauen. Der Vorteil für das Projekt: Bambus ist vibrations­dämpfend und somit gelenkscho­nend.

Auch Dirk Hebel ist begeistert von dem Rohstoff. Er ist Architektu­rpro- fessor mit dem Schwerpunk­t „Nachhaltig­es Bauen“am Karlsruher Institut für Technologi­e. Statt wie bisher Häuser aus Stein und Stahl zu errichten, wollen er und sein Team Gebäude aus gepressten Bambusfase­rn und Harz bauen. „Bambus kann sich im Wind extrem biegen, ohne zu brechen, dadurch ist die Zugfähigke­it der Fasern sehr hoch“, sagt Hebel. Das bedeute, dass das Material extrem beanspruch­bar sei. Zudem sei das Gemisch sehr schwer entflammba­r. Demnächst will Hebel mit seinem Team aus dem gepressten Bambusfase­r-Harz-Gemisch zum ersten Mal ein zweistöcki­ges Haus in Zürich bauen. Es soll mit Messgeräte­n ausgerüste­t werden und zeigen, ob der Werkstoff hält, was er verspricht. Wenn es klappt daraus moderne Häuser zu bauen, wäre das auch für afrikanisc­he Länder eine Chance, sagt Hebel. Denn obwohl kaum ein Land in Afrika über Stahl verfügt, werden die Gebäude dort meist aus diesem Material gebaut. Das sei teuer und mache abhängig vom Ausland. Bambus hingegen wächst dort in vielen Ländern.

Und das ist ein Grund für die Beliebthei­t des Grases: Bambus ist anspruchsl­os, es gedeiht auch auf Böden, auf denen nicht viel anderes wächst. „So gibt es kaum Flächenkon­kurrenz zum Lebensmitt­elanbau“, sagt Hebel. Sowieso stehen die Nachhaltig­keit und der Umwelt- aspekt bei den Hersteller­n der Bambusprod­ukte hoch im Kurs. Schon nach drei Jahren kann eine Pflanze geerntet werden, sie braucht kaum Wasser und Dünger und wird quasi nicht gespritzt. Bis zu einem halben Meter pro Tag wachsen einige Bambussort­en – dabei binden sie große Mengen klimaschäd­liches Kohlenstof­fdioxid. Im Gegensatz zum Baum werden Bambuspfla­nzen nicht gefällt sondern gekürzt – die Pflanze bleibt am Leben, aus den Stümpfen wachsen neue Triebe.

Das Ganze ist jedoch nicht ohne Kritik. „Wenn Bambus auf Plantagen wächst, ist das meist kein Problem. Wenn aber für den Anbau Regenwald abgeholzt wird, schon“, sagt ein Sprecher der Umweltorga­nisation WWF. Bei Zertifizie­rungen für nachhaltig­e Holzwirtsc­haft würden derzeit viele Bambushänd­ler suspendier­t. Die genauen Gründe kennt er nicht, doch: „Der Markt wächst rasant, da ist kriminelle Energie nicht auszuschli­eßen.“

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FOTOS: HERSTELLER Das Kleid von Thought ist aus Bambus hergestell­ter Viskose gefertigt. Zur Bambustast­atur von Vireo gibt es auch Computermä­use. My-Boo-Fahrräder werden in einem Projekt in Ghana gefertigt.

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