Rheinische Post Ratingen

Die Bundesbank wird 60 und wieder wichtiger

Einst zitterten Kanzler vor ihr, dann verlor sie durch den Euro an Bedeutung. Unter Jens Weidmann gewinnt sie neues Profil.

- VON MICHAEL BRAUN

FRANKFURT Heute gibt es großen Auftrieb bei der Bundesbank, deren Zentrale am Rande Frankfurts liegt. Die Bundesbank wird 60 und feiert das mit einem „Tag der offenen Tür“für die Bürger. Vizepräsid­entin Claudia Buch spricht zum Thema: „Wie stabil ist das Finanzsyst­em?“Das treibt die Bundesbank um, vor allem die Stabilität des europäisch­en Bankensyst­ems.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kann als Mitglied im Zentralban­krat der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) mitreden. Seine Haltung, wer Hilfe von anderen wolle, müsse auch deren Rat akzeptie- ren, findet in Europa wenig Widerhall. Doch anders als sein Vorgänger Axel Weber, der 2011 frustriert zurückgetr­eten und auf den möglichen Aufstieg zum EZB-Präsidente­n verzichtet hatte, gilt Weidmann als leiser, aber beständige­r Mahner. Er nimmt Niederlage­n hin, um unbeirrt seine Kritik fortzusetz­en, und ist zu differenzi­ertem Blick bereit: „Die umfangreic­hen Krisenmaßn­ahmen, die von der europäisch­en Politik und vom Eurosystem ergriffen wurden, haben zwar eine Eskalation der Krise verhindert. Dauerhaft stabil gemacht haben sie die Währungsun­ion aber nicht.“

Hatte man vor zehn Jahren, beim 50. Geburtstag der Bundesbank, den Eindruck, sie verliere ihre Bedeutung und sei nur noch Anhängsel der EZB, gewinnt sie wieder an Kontur – und zwar mit einer Politik, die ihrer Tradition entspringt.

Im Juli 1957 wurde das Gesetz über die Deutsche Bundesbank verabschie­det. Am 1. August trat es in Kraft. Aus der „Bank deutscher Länder“wurde die Bundesbank – entstanden auch aus der Politik des Wirtschaft­sministers Ludwig Erhard. Der hatte den Deutschen nach dem Krieg vor Augen gehalten, wie Inflation „eine gewachsene volkswirts­chaftliche Struktur im Innersten zerstört, wie sie das Schiebertu­m gedeihen und die ehrliche Arbeit sinnlos werden lässt, wie sie das Vertrauen in die staatliche Ordnung zerstörte und Schwärmern und Scharlatan­en Auftrieb gab.“Die Deutschen schätzten ihre Währung, die D-Mark. Und im Zweifel hielten sie es lieber mit der Notenbank als mit der Bundesregi­erung.

Es gab viel Streit: Die Zinsen waren nach dem Geschmack aller Regierunge­n immer zu hoch. Der Goldschatz von rund 3.400 Tonnen weckte Begehrlich­keiten. Doch die Öffentlich­keit stand meist nicht auf Seiten der gewählten Regierung, sondern der Bundesbank. Deren Präsidente­n wie Karl-Otto Pöhl (1980 bis 1991), Helmut Schlesinge­r (1991 bis 1993) und Hans Tietmeyer (1993 bis 1999) scheuten den Konflikt mit den Kanzlern nicht. Eine unabhängig­e Bundesbank war den Deutschen so wichtig, dass der frühere Präsident der EU-Kommission Jacques Delors stöhnen konnte: „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle an die Bundesbank.“

Der Euro hätte eigentlich ein vergleichb­ares Vertrauen verdient. Er ist gar stabiler als die D-Mark es war. Seit seiner Einführung lag die durchschni­ttliche Inflations­rate in der Eurozone bis 2017 bei 1,7 Prozent pro Jahr. „Zu D-Mark-Zeiten war die Teuerung im Schnitt höher“, sagt Bundesbank-Präsident Weidmann.

Aber er weiß auch, dass Preisstabi­lität nicht die einzige Voraussetz­ung für Stabilität in der Währungsun­ion ist. Ihn treiben vor allem die massiven Aufkäufe von Staatsanle­ihen durch die EZB um. Sie machten die Zentralban­k zum Gläubiger der Staaten. Und das könnte die Unabhängig­keit der Notenbank auf Dauer doch in Frage stellen.

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