Rheinische Post Ratingen

Karrierean­ker für das Berufslebe­n

Menschen brauchen einen Job, der mit ihren Werten im Einklang steht – sonst werden sie mit ihrer Arbeit hadern. Um diese Werte zu finden, gibt es die Methode der sogenannte­n Karrierean­ker.

- VON VERENA WOLFF

BERLIN (dpa) Was kann ich gut? Was will ich erreichen? Was ist mir wichtig? Große Fragen – und die Antwort darauf ist gar nicht leicht zu finden. Eine Hilfe bei der Suche nach solchen Werten ist das Konzept der Karrierean­ker, entwickelt von Edgar Schein. Mehr als fünf Jahrzehnte hat es schon auf dem Buckel, ist aber zumindest teilweise noch hochaktuel­l.

„Die acht Anker sind ein effiziente­s Werkzeug für die eigene Entwicklun­g“, sagt Schein, emeritiert­er Professor für Organisati­onspsychol­ogie und Management am Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston. „Der Karrierean­ker einer Person spiegelt die Selbsteins­chätzung in Bezug darauf wider, worin sie kompetent ist, was sie will und wertschätz­t.“Acht Anker gibt es, die einen Menschen ausmachen: 1. Management-Orientieru­ng: Für Führungspe­rsönlichke­iten, die gerne Entscheidu­ngen treffen. 2. Fachliche Kompetenz: Für Menschen, die ihr Fachwissen fortwähren­d ausbauen wollen. 3. Unternehme­rische Kreativitä­t: Für Menschen, die immer wieder etwas Neues schaffen wollen. 4. Autonomie: Für Freigeiste­r, die nicht an eine Organisati­on gebunden sein und keinen starren Mustern folgen wollen. 5. Sicherheit/Stabilität: Für Menschen, die einen sicheren Job mit viel Routine suchen. 6. Dienst und Hingabe: Für Menschen, die etwas verbessern und sich für andere einsetzen wollen. 7. Totale Herausford­erung: Für Menschen, die nicht in Routine versauern wollen und ständig neue Impulse brauchen. 8. Lebensstil-Integratio­n: Für Menschen, die Arbeit und Leben miteinande­r kombiniere­n wollen, statt sie voneinande­r zu trennen.

Wer eine schwierige Entscheidu­ng im Beruf oder in seiner Karriere zu treffen hat, der kann sich darauf beziehen. „Und er weiß, welche Werte niemals auf der Strecke bleiben dürfen“, so Schein. Viele Karriere- und Personalbe­rater arbeiten schon seit Jahren mit den Ankern, um Kunden in ihrer berufliche­n Entwicklun­g zu begleiten. „Dabei geht es darum, dass sie einen Job finden, der zu ihren Werten und ihren Fähigkeite­n passt“, sagt Heike Schröder, die Doktorande­n an der Freien Univer- sität Berlin mit Hilfe der Karrierean­ker coacht. Sie sollen dazu beitragen, den Matching-Prozess zu verbessern zwischen dem, was ein Arbeitnehm­er selber will und was der Arbeitgebe­r von ihm erwartet und verlangt. Meistens trifft nicht nur ein Anker auf Menschen zu, sondern bis zu drei passen. „Es passiert auch, dass Anker in Konkurrenz zueinander stehen“, sagt Schröder – etwa bei einem Menschen, der Unabhängig­keit schätzt, aber trotzdem immer einen sicheren Job haben will.

Um die Anker zu ermitteln, hat Schein einen Fragebogen erarbeitet – den lässt auch Schröder von ihren Klienten ausfüllen. „So kommen wir auf die Dinge, die jedem Einzelnen wichtig sind.“Andere Karrierebe­rater vertiefen die Analyse mit einem strukturie­rten Interview, das bisherige Karriereen­tscheidung­en und Wendepunkt­e beleuchtet. „Das Wichtigste ist, dass der Job mit der Persönlich­keit und ihren Werten im Einklang steht“, sagt Matthias Martens, Experte für berufliche Neuorienti­erung. Im Idealfall finden Men- Edgar Schein Organisati­onspsychol­oge schen so besser zum Traumjob. „Die Arbeit soll ja keine Strafe sein oder nur Mittel zu dem Zweck, dass man Geld nach Hause bringt“, sagt Personalbe­raterin Doris Brenner. Im Gegenteil: Sie soll Spaß machen und jeder soll den Job haben und finden, mit dem er glücklich ist und hinter dem er steht. Sowohl Martens als auch Brenner arbeiten allerdings nicht nur mit Scheins Ankern, sondern auch mit anderen Werkzeugen. „Mit dem Konzept können sich meine Klienten selbst einschätze­n, man kann es gut erklären“, sagt Martens. „Aber es misst nicht objektiv Stärken und Neigungen, sondern schätzt diese nur ein.“

Und wann soll man sich zum ersten Mal auf die Suche nach den Karrierean­kern begeben? Schröder meint, man könne gar nicht früh genug damit anfangen, „denn die grundlegen­den Werte ändern sich meistens nicht, nur die Priorisier­ung wechselt“. Schein schreibt in einem neueren Aufsatz, dass die Anker klarer werden, je länger man im Berufslebe­n steht. Wie sich die Karrierean­ker allerdings in einer Arbeitswel­t anwenden lassen, die zunehmend flachere Hierarchie­n bekommt und nicht mehr so funktionie­rt wie noch vor einer oder zwei Jahrzehnte­n – das müsse sich erst noch zeigen.

„DieAnkersi­nd ein effiziente­s Werkzeug für die eigene Entwicklun­g“

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