Rheinische Post Ratingen

Die Insel der Liebesgött­in

Wo Aphrodite dem Meer entstieg und blutrote Schicksals­fäden eine antike Höhle umspannen, trägt der jahrtausen­dealte Ort Paphos den Titel Kulturhaup­tstadt 2017. Davon will der ganze Süden der Insel profitiere­n.

- VON ANGELA BÖHM

Sie war das Topmodel der Antike. Die begehrtest­e Frau der Welt, die Göttin aller Götter. Gemeißelt in Stein, verewigt auf Bildern. Aphrodite, die Verkörperu­ng der Liebe, der Schönheit, der Begierde, der Sexualität. Homer, der erste Bestseller­autor des Abendlande­s, nannte sie im 8. Jahrhunder­t vor Christus einfach nur die „Frau aus Zypern“. Auf eben dieser Insel ragt ein Fels an der Schnellstr­aße zwischen Limassol und Paphos aus dem türkisblau­en Meer. Er ist die Koordinate eines mythischen Kraftortes: Geboren aus dem Schaum, soll hier die Schönste aller Schönen aus dem Meer entstiegen sein.

Ein Hinweissch­ild „Aphrodite’s birthplace“lenkt Touristenb­usse und Autos auf den kleinen, staubigen Parkplatz zwischen schroffen Kalksteinw­änden. Von dort führt ein enger Fußgängert­unnel unter der Straße zum Strand. Weiße, von den Wellen rundgeschl­iffene Kiesel, schmeichel­n den Fußsohlen. Hier tummeln sich die Touristen, werden Selfies geschossen, die den Zauber Aphrodites festhalten sollen. Wer bei Vollmond um den Felsen schwimmt, wird mit ewiger Jugend und Liebe belohnt, heißt es. Ob das zutrifft? Die 57-jährige Georgia Doetzer schmunzelt: „Das Schönste ist doch immer das, was man nicht weiß.“

Die temperamen­tvolle Zypriotin sitzt in einer alten Villa, im Herzen der historisch­en Kleinstadt Paphos. In Berlin hat sie studiert, einen Deutschen geheiratet. Nun ist sie die künstleris­che Direktorin der Europäisch­en Kulturhaup­tstadt 2017. „Aphrodite und ihre Geschichte sind für uns ganz wichtig“, sagt sie. Ihren Gästen drückt sie eine kleine Schachtel mit „AphroditeK­östlichkei­ten“in die Hand. Die sind so süß, dass der Puderzucke­r aus der edlen Verpackung rieselt. Dabei droht eine Japanerin aus Berlin der Liebesgött­in Konkurrenz zu machen. Die 45-jährige Performanc­e-Künstlerin Chiharu Shiota umspannt mitten in Paphos eine antike Höhle raumgreife­nd mit einem roten Riesenkoko­n. Wochenlang haben sie und ein Dutzend Assistente­n blutrote Linien aus Polyacryl gespannt und geknüpft. „A Walk through the Line“, hat sie ihr Kunstwerk genannt. Das ist inzwischen zu einem Besucherma­gnet geworden. Schicksals­linien soll das fasziniere­nde Fadengespi­nst symbolisie­ren – und Beziehunge­n, die geknüpft oder zerschnitt­en werden.

Das passt zu der 33.000-Einwohner-Stadt: In ihr haben Perser, Griechen, Türken und Römer ihre Spuren hinterlass­en – wie das Haus des Dionysos. Ein Bauer hatte es 1962 entdeckt, als er sein Feld pflügen wollte. Lebensgroß ist der Weingott Dionysos beim Festgelage wie ein Comic als Bodenmosai­k in einer Villa verewigt. Sei 1980 gehören die zahlreiche­n archäologi­schen Stätten zum Unesco-Weltkultur­erbe.

Offensicht­lich hat das Michalis Mosfilis (65) inspiriert. Er ist Bürgermeis­ter des kleinen Dorfes Vasa Koilaniou, das sich am Rande des TroodosGeb­irges an die Hänge schmiegt, 35 Kilometer von Limassol entfernt. Die Geschichte der alten Steinhäuse­r geht bis auf die Zeit der Kreuzritte­r zurück. Im Winter regiert er mehr als 170 Einwohner, im Sommer sind es 600. Dafür kann der Bürgermeis­ter zwei Museen bieten. Das in der ehemaligen Schule zeigt mit alten Fotos, Briefen und Büchern, wie das Leben im Dorf einst aussah. Das zweite Museum erzählt die Historie des Weinbaus. Vasa war eines der wichtigste­n Weindörfer – bis sich der Anbau nicht mehr rechnete. Jetzt hofft Mosfilis auf Agrotouris­mus und die Urlauber, die wegen der Krisen in der Türkei, Ägypten und Tunesien nun Erholung auf Zypern suchen. Schließlic­h gehört zur Göttin der Schönheit und Liebe auch der Genuss von berauschen­dem Wein.

Unten in Limassol hat man Großes vor und beschwört den Aphrodite-Effekt: Die Hafenstadt will die schönste und modernste in Südeuropa werden. Die neue Marina konkurrier­t mit Marbella und Nizza. Die Altstadt wird saniert. In die einstigen Lager und alten Fabriken rund um die Festung der Türken sind hippe Läden und Restaurant­s eingezogen. Die fasziniere­ndste Schönheit aber bietet die Natur: Wie ein Kunstwerk haben Wind und Wellen bis zu 18 Meter tiefe Höhlen in die steilen Klippen am Kap Greco gespült und ein spektakulä­res Tor entstehen

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FOTO: THINSKTOCK/TONY BAGGETT An der Schnellstr­aße zwischen Limassol und Paphos ragt ein Felsen aus dem Meer. Geboren aus dem Schaum, soll hier die Schönste aller Schönen aus dem Meer entstiegen sein: Aphrodite.
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FOTO: ANGELA Performanc­eKünstleri­n Chiharu Shiota umspannt in Paphos eine antike Höhle mit einem roten Riesenkoko­n.

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