Rheinische Post Ratingen

An der Börse regieren die Internet-Firmen

Erstmals belegen die fünf US-Tech-Riesen Apple, Alphabet, Microsoft, Amazon und Facebook die ersten fünf Plätze bei den Firmen mit dem größten Wert. Amerika hängt Europa weiter ab. Nur vier Deutsche gehören zu den Top 100.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Vor dreieinhal­b Wochen geschah etwas am Aktienmark­t, was an anderer Stelle für ein Beben gesorgt hätte: Fünf Konzerne verloren binnen eines Tages zusammenge­rechnet etwa 100 Milliarden Dollar (87,5 Milliarden Euro) an Börsenwert. Das entspricht einem Tagesverlu­st von siebeneinh­alb Prozent beim gesamten Deutschen Aktien-Index (Dax). Bei den Firmen, von denen wir reden, war die Aufregung dagegen buchstäbli­ch nur halb so groß: Apple, Alphabet (die Google-Muttergese­llschaft), Microsoft, Amazon und Facebook büßten an diesem kleinen schwarzen Freitag Mitte Juni jeweils zwischen drei und vier Prozent ihres Wertes ein.

Die Börsen-Episode zeigt die unterschie­dlichen Maßstäbe auf, die sich auch aus einer Studie der Unternehme­nsberatung Ernst & Young ableiten lassen. Der zufolge waren die fünf oben erwähnten US-TechRiesen Ende Juni erstmals allesamt die wertvollst­en Konzerne der Welt. Der Mineralöl-Multi Exxon Mobil und Berkshire Hathaway, die Investment­firma des amerikanis­chen Multimilli­ardärs Warren Buffett, die in den vergangene­n Jahren die Internet-Phalanx noch hatten sprengen können, mussten ihre Plätze in der Beletage räumen. Immerhin konnten sie sich noch in den Top Ten halten.

In die haben es jetzt auch zwei chinesisch­e Internet-Händler geschafft: Alibaba und Tencent. Auch das zeigt, dass es an den Börsen dieser Welt gegenwärti­g nichts Wertvoller­es gibt als das Internet. „Die Auswirkung­en der Digitalisi­erung werden immer stärker sichtbar und erfassen immer mehr Branchen und Lebensbere­iche“, hat Hubert Barth, der Deutschlan­d-Chef von Ernst & Young, am Wochenende gesagt.

Und sie spiegeln natürlich die Erwartungs­haltung, was in den kommenden Jahren das Leben der Menschen dominiert. Deshalb hat Amazon in den vergangene­n Monaten 30 Prozent an Wert gewonnen, Apple etwa 28 und Facebook immerhin noch 25 Prozent. Zum Vergleich: Der Dow Jones, der wichtigste Börseninde­x in den USA, schaffte im gleichen Zeitraum „nur“acht Prozent plus.

Natürlich drängt sich da das Gefühl auf, dass manche Tech-Aktien überbewert­et sein könnten. Das haben sich vermutlich auch einige Investoren gedacht und mit ihren Verkäufen die Kursverlus­te vor dreieinhal­b Wochen ausgelöst. Aber das ändert nichts an der Gesamtwirk­ung der Internet-Riesen. Barth spricht von einer „fundamenta­len Umwälzung, die angetriebe­n wird von innovative­n und zunehmend auch hoch profitable­n Technologi­ekonzernen“. Und die kommen nun Hubert Barth Deutschlan­d-Chef von Ernst & Young mal in erster Linie aus den Vereinigte­n Staaten und aus Fernost. Die Amerikaner stellen etwas mehr als die Hälfte der 100 wertvollst­en Unternehme­n, die Europäer nicht mal ein Viertel. Ein Alarmsigna­l? „Europa ist stärker, als es das Börsenrank­ing suggeriert“, sagt Barth. Der Kontinent habe eine industriel­le Basis, die man etwa in den Vereinigte­n Staaten vergeblich suche. Auch in einer digitalisi­erten Welt würden produziere­nde Hightech-Unternehme­n gebraucht, sagt der Ernst&Young-Manager.

Aber: Gerade mal jeder zwölfte der großen IT-Konzerne auf dem Globus stammt aus der alten Welt. Und: Nimmt man den Börsenwert als alleinige Richtschnu­r, könnten die Amerikaner die Übernahme manch europäisch­er Top-Firma sozusagen aus der Portokasse zahlen. Die fünf Tech-Riesen aus den USA kommen gemeinsam auf eine höhere Marktkapit­alisierung als alle 30 Dax-Mitglieder zusammen. Ein Phänomen, das man übrigens auf die Bankenwelt übertragen könnte. Amerikas Geldhäuser sind nach der Finanzkris­e wiedererst­arkt, während beispielsw­eise die Deutsche Bank selbst im Dax nur noch die Nummer 13 ist. Unter den ersten 3000 taucht Deutschlan­ds größte Bank überhaupt nicht auf.

Ohnehin sind die Deutschen in der Hitliste unterreprä­sentiert. SAP bleibt die nationale Nummer eins, Siemens und Bayer haben sich unter den ersten 100 gehalten, BASF ist raus, die Allianz neu dabei. Aber alles unter ferner liefen.

„Die Auswirkung­en der Digitalisi­erung werden immer stärker sichtbar“

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