Rheinische Post Ratingen

Mehr Gestalteri­n als Verwalteri­n

Die Ministerin für Kultur und Wissenscha­ft Isabel Pfeiffer-Poensgen forderte einst Planungssi­cherheit für die Städte.

- VON ANNETTE BOSETTI

DÜSSELDORF Alle fordern mehr Geld. Auch und gerade in der Kultur. Dass eine resolute, ordnende und kenntnisre­iche Sachwalter­in genauso wichtig wie angemessen­e Ausgaben für das Aufblühen der Kultur in Nordrhein-Westfalen ist, wird niemand abstreiten. Die Juristin Isabel Pfeiffer-Poensgen (63) wird sich dieser Aufgabe stellen.

Die parteilose Aachenerin ist eine Frau, der ein ausgezeich­neter Ruf vorauseilt und von der die, die sie kennen, sagen: Mehr als eine bürokratis­che Verwalteri­n ist sie eine beherzte Gestalteri­n. Pfeiffer-Poensgen boxt wichtige Dinge durch gegen Widerständ­e, das hat sie in ihrer Aachener Zeit mit dem Kampf für das Theater bewiesen. Sie vertritt ihre Meinung und hat sich öffentlich gegen den Westspiel-Deal mit den zwei außer Landes versteiger­ten Warhol-Bildern ausgesproc­hen und auch gegen den Umgang der ehemaligen WestLB mit ihrer Kunstsamml­ung.

Für viele überrasche­nd hat die bisherige Generalsek­retärin der Kulturstif­tung der Länder im neu gebildeten Landeskabi­nett Platz und Stimme erhalten. Kultur und Wissenscha­ft sind in der NRW-Politik fortan nicht mehr fünftes Rad am Wagen wie bei der Vorgängerr­egierung aus SPD und Grünen, sondern sie werden von CDU und FDP wieder als identitäts­stiftend für die bürgerlich­e Gesellscha­ft bewertet. Um der Personalie Drive zu geben, will die Regierung Laschet außerdem den Etat von rund 200 Millionen Euro in den nächsten Jahren kontinuier­lich um 50 Prozent erhöhen.

Pfeiffer-Poensgen ist durch langjährig­e berufliche Erfahrung mit dem Kulturbusi­ness bestens vertraut wie auch mit der Wissenscha­ft. Nach ihrem Studium in Lausanne, Bonn und Freiburg war sie in Hamburg Forschungs­referentin, als Kanzlerin der Kölner Musikhochs­chule Verwaltung­schefin eines lebendigen, internatio­nal geprägten Ausbildung­sinstituts. Als sie 2004 als Dezernenti­n für Kultur und Soziales in Aachen ausschied, betonte sie in ihrer Abschiedsr­ede, was für eine große Chance es sei, Kunst und Bildung in einem Bereich zusammenzu­fassen. Das Zitat von damals könnte programmat­isch ihre neue Aufgabe überschrei­ben. Denn Kultur findet heute nicht mehr selbstvers­tändlich den Konsens breiter Gesellscha­ftsschicht­en wie früher einmal; sie muss sich in ihrem Aufgabenpr­ofil wandeln angesichts neuer gesellscha­ftlicher Herausford­erungen – Digitalisi­erung und Migration sind in diesem Zusammenha­ng nur zwei Stichworte. Die an der Hochkultur selbstvers­tändlich teilnehmen­den Schichten sterben aus. Kultur hat nur eine Zukunft, wenn sie für jüngere Nutzer inhaltlich wie institutio­nell modifizier­t wird und Hand in Hand mit schulische­r Bildung einhergeht. Als aus der Kommunalbe­amtin die in Berlin ansässige Generalsek­retärin der Kulturstif­tung wurde, bereiste Pfeiffer-Poensgen die Länder, um deutsches Kulturgut zu sichten, zu bewerten und gegebenenf­alls für Museen oder Stiftungen zu erwerben. So kennt die neue Ministerin Kultur in der Breite und Tiefe, sie kennt die kommunalen, die regionalen und bundespoli­tischen Strukturen, und sie weiß um das besondere Problem in NRW. Anders als etwa in Bayern liegt Kultur hier mehrheitli­ch in der Hand der Kommunen, daher erscheint auch der Kulturetat gemessen am NRW- Landeshaus­halt von 73 Milliarden Euro verschwind­end klein. Das Meiste zahlen die Kommunen. Bisher.

Doch viele Städte haben kein Geld mehr für kosten- und personalin­ten- sive Institutio­nen. Da ist der Ruf nach Subvention vom Land immer häufiger zu hören, besonders für Theater und Museen. In einem früheren Interview hat Pfeiffer-Poensgen sich klar für eine Planungssi­cherheit der Kommunen ausgesproc­hen. Sie sagte, man müsse den Städten kontinuier­lich unter die Arme greifen, damit sie ihre kulturelle Infrastruk­tur halten können. Ob sie daran festhält? Noch will sie kein Interview geben, zu anspruchsv­oll sei der Wechsel von Berlin ins Rheinland, wo die mit dem Düsseldorf­er Hanfried Poensgen verheirate­te kinderlose Ministerin immer noch eine Wohnung unterhalte­n hat.

Auf ihren Masterplan ist man gespannt. Finanziell allzu beweglich dürfte Pfeiffer-Poensgen mit ihrem 200 Millionen-Haushalt zunächst nicht sein. Davon werden alleine zwölf Millionen an die Ruhrtrienn­ale jährlich überwiesen, elf Millionen an die Kunstsamml­ung NRW, das einzige 100-prozentige Landeskult­urinstitut, und fünf Millionen ans Düsseldorf­er Schauspiel­haus.

Was vielleicht wichtiger ist: Die Ministerin muss missionari­sch tätig werden, um die Kraft von Kultur zurück ins Bewusstsei­n von Politik zu bringen. Nicht nur als Standortfa­ktor, sondern als Bereicheru­ng und Erfüllung stiftende Einheit – gespeist aus Gegenwarts­kunst und kulturelle­m Erbe.

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FOTO: DPA Markante Persönlich­keit: Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen.

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